Der Beitrag wurde zuletzt im Sept. 2021 bearbeitet.
Visuelle Notizen haben auch im Jurastudium ihren Platz. So sorgen sie vor allem für effizientere Vorlesungsmitschriften und mehr Anschaulichkeit in textlastigem Lernmaterial. Wenn Sie gerne kreativ sind und Spaß an handgemachten Visualisierungen haben, sind Sketchnotes ein wunderbarer Weg, den eigenen Lernprozess voranzubringen. Doch wie gehen Sie das Ganze praktisch an? Welche Stifte benötigen Sie? Welche Icons/Symbole eignen sich speziell für Ihr Studium? Und wie beginnen Sie damit, Ihre Aufzeichnungen visuell zu gestalten? Antworten und Anregungen bietet dieser Beitrag.
Was sind Sketchnotes?
Mit handschriftlichen Notizen kennen Sie sich aus: Sie schreiben in Vorlesungen mit und notieren sich Wichtiges zum Lernen auf Karteikarten. Das Besondere an Sketchnotes ist, dass Sie Ihre Notizen durch einfache Zeichnungen, vor allem Icons und Symbole, ergänzen. Sketchnotes sind also visuelle Notizen.
Ich weiß, Sie können nicht zeichnen. Das macht aber nichts. Sketchnotes dienen nämlich allein dazu, Gedanken, Ideen und Informationen festzuhalten, um sie zu behalten bzw. schnell wieder reaktivieren zu können und sich ggf. mit anderen darüber auszutauschen. Für sie gilt also nichts anderes als für Ihre bisherigen handschriftlichen Notizen. Haben Sie sich jemals gefragt, ob Sie schön genug schreiben, um eine Vorlesungsmitschrift anfertigen zu können, oder ob Ihr Zeichentalent für eine Sachverhaltsskizze reicht? Na also! Auch Ihre Sketchnote-Icons müssen keine Kunstwerke sein. Hilfreich ist es allerdings, wenn Sie halbwegs leserlich schreiben und man Ihre Icons als solche erkennen kann. Aber das schaffen Sie, wenn Sie üben und etwas Geduld mit sich haben.
Was bringen Ihnen Sketchnotes?
- Sie prägen sich Inhalte besser ein.
- Sie hören genauer hin und sind konzentrierter.
- Sie lernen, Inhalte zu strukturieren.
- Sie erwerben Visualisierungs- und Zeichenkompetenz.
- Sie haben mehr Spaß am Lernen.
Welche Stifte benötigen Sie?
Spezielle Stifte für Notizen? Es mag übertrieben klingen, hat aber tatsächlich erheblichen Einfluss darauf, ob Sie Spaß bei und mit Ihren Aufzeichnungen haben oder nicht. Ihre Grundausstattung besteht aus drei Stiften:
- Der wichtigste Stift ist ein wasserfester schwarzer Fineliner (Spitze z. B. 0,3 mm). Mit ihm schreiben Sie den Text und zeichnen die Konturen Ihrer Icons.
- Hinzu kommt ein grauer Filzstift mit Pinselspitze (Tinte auf Wasserbasis). Diesen benötigen Sie, um Ihre Icons mit Schatten zu versehen. Die Icons gewinnen so an Tiefe und sehen gleich deutlich besser aus.
- Mit einem weiteren farbigen Filzstift mit Pinselspitze (Tinte auf Wasserbasis) bringen Sie ein wenig Farbe in Ihre Sketchnotes. Wählen Sie eine helle Farbe, damit die schwarzen Konturen gut sichtbar bleiben.
Sehr beliebt sind bei Sketchnotern die Marker und Stifte der Firma Neuland (z. B. Fineliner SketchOne, fineOne mit Pinselspitze). Es gibt aber auch Alternativen von anderen Firmen. Hinweise zu gängigen Stiften mit Bewertung bzw. persönlicher Empfehlung finden Sie z. B. auf der Website der Sketchnoterin Ines Schaffranek (http://pheminific.de/sketchnotes/stifte).
Es gibt auch diverse Apps, mit denen Sie Ihre visuellen Notizen auf einem Tablet anfertigen können. Darauf gehe ich hier jedoch nicht näher ein. Allerdings muss ich einräumen, dass ich das ursprüngliche Bildmaterial in diesem Beitrag zwischenzeitlich durch digital angefertigte Zeichnungen ersetzt habe.
Wie fangen Sie an?
Für den Einstieg ins Sketchnoting ist eine Grundausstattung mit Icons/Symbolen sinnvoll. Diese sollten idealerweise zu den Inhalten und der Art Ihrer Notizen passen. Ich habe mal 21 Icons/Symbole für Jurastudierende zusammengestellt. Belassen Sie es zunächst bei dieser überschaubaren Anzahl, um sich selbst nicht zu überfordern. Erweitern können Sie Ihr visuelles Vokabular später immer noch.
Wenn Sie sich lieber eigene Icons ausdenken: wunderbar! Alternativ ist das Internet eine gute Inspirationsquelle. Suchen Sie nach stark reduzierten Bildern, die Sie ohne Weiteres abzeichnen können.
Bildideen und Zeichenanleitungen bieten zudem meine Bildvokabeln für den juristischen Alltag.
Sie können die von mir vorgeschlagenen Symbole auch mit einer anderen Bedeutung versehen. Viele Icons sind mehrdeutig und lassen Spielraum für eigene Interpretationen. Ein gutes Beispiel ist die Glühbirne. Sie kann Wissen und Verstehen symbolisieren, aber auch für Ideen und Inspirationen stehen. Ich mag das Symbol sehr und wollte es gern in der Sammlung unterbringen. Mit den genannten Bedeutungen wird es aber kaum eine Möglichkeit geben, es in Ihren Vorlesungsmitschriften unterzubringen. Daher ist mein Vorschlag, die Glühbirne überall dort einzusetzen, wo Sie sich selbst daran erinnern wollen, dass Sie sich etwas unbedingt merken sollten. Und noch ein anderes Beispiel: die Lupe. Sie wird gerne eingesetzt, um zu veranschaulichen, dass etwas geprüft bzw. näher angeschaut wird oder dass etwas in den Fokus rückt. Ich habe sie hier als Symbol für die Definition eingesetzt, denn bei dieser schaut man sich einen Begriff näher an und ergründet seine genaue Bedeutung.
Nun heißt es üben, üben und nochmals üben. Das Ziel ist, dass Sie die vorgeschlagenen oder selbst zusammengestellten 21 Icons schnell aus dem Stand zeichnen können. Probieren Sie aus, wie Sie beim Zeichnen am besten vorgehen, um möglichst unfallfrei zu einem akzeptablen Ergebnis zu kommen. Welche Linien und Formen kombinieren Sie in welcher Reihenfolge miteinander? Merken Sie sich die Reihenfolge.
Sketchnote-Icons in Vorlesungsmitschriften
Auf in die Praxis! Es wird Zeit, dass Sie Ihr visuelles Grundvokabular anwenden. Ein möglicher Einsatzort sind Ihre Vorlesungsmitschriften. Um den Einstieg ins Sketchnoting zu finden, können Sie die Icons zur Strukturierung Ihrer Aufzeichnungen einsetzen. Dafür gehen Sie wie folgt vor:
- Falten Sie Ihr Papier längs, um einen breiten Rand zu schaffen (wahlweise rechts oder links; wenn Sie in einer Kladde schreiben, sollte der Rand jeweils außen sein). Alternativ können Sie den Rand auch durch eine Linie kenntlich machen.
- Fertigen Sie Ihre Mitschrift an, so wie Sie es gewohnt sind. Schreiben Sie neue Gedanken jeweils in eine neue Zeile.
- Zeichnen Sie passende Icons an den Rand.
Dieses Vorgehen eignet sich deshalb besonders gut für den Einstieg, weil Sie Ihre bisherigen Mitschriften nicht wesentlich verändern müssen. Außerdem können Sie einzelne Zeichnungen problemlos später ergänzen, wenn Ihnen in der Vorlesung die Zeit und Ruhe fehlen. Trotzdem haben die Icons am Rand einen Effekt: Sie konzentrieren sich nämlich auf die Struktur des vermittelten Stoffes, Sie finden sich später besser in Ihren Aufzeichnungen zurecht und haben wahrscheinlich auch mehr Spaß daran, sich die Aufzeichnungen überhaupt noch mal anzusehen.
Mehr Veränderung und somit auch mehr Übung erfordert die folgende Aufzeichnungsvariante. Bei dieser füllen Sie nicht mehr ganze Zeilen mit Text, sondern notieren diesen in Blöcken (auch hier gilt wieder: nicht mehr als ein Gedanke pro Textblock). Den Rand brauchen Sie jetzt nicht mehr. Wenn der Text notiert ist, setzen Sie das passende Icon über den Textblock oder in eine der oberen Ecken und zeichnen einen Rahmen um den Textblock. An der Stelle, wo das Icon sitzt, lassen Sie eine Lücke im Rahmen. Bei Bedarf nummerieren Sie die Textblöcke oder verbinden sie mit Pfeilen.
Schreiben Sie immer zuerst den Text und lassen Sie zwischen den Textblöcken genug Freiraum!
In meiner Beispiel-Zeichnung war es leicht, das Ganze halbwegs aufgeräumt aussehen zu lassen. In der Praxis ist das deutlich schwieriger, denn Sie wissen ja vorher nicht, was für Inhalte Sie in der Vorlesung erwarten und wie sich diese am besten strukturieren lassen.
Wenn Sie mit der Strukturierung zurechtkommen, haben Sie möglicherweise Lust auf mehr Visualisierung. Dann können Sie noch einen Schritt weiter gehen: Verwandeln Sie Ihre gesamte Mitschrift in ein Bild, das die Vorlesungsinhalte visualisiert. Aussehen kann das z. B. so, wie in dem folgenden Beispiel von Nadine Roßa. Es handelt sich um die Aufzeichnung eines Vortrags auf der re:publica Ι TEN:
Ich zeige Ihnen gerade diese Sketchnote, weil sie eine der wenigen Sketchnotes auf Twitter ist, in denen es um rechtliche Themen geht. Außerdem mag ich den Sketchnote-Stil von Nadine Roßa sehr. Ihre Sketchnotes sind deutlich mehr als visuelle Notizen, es sind kleine Kunstwerke. Man muss dazusagen, dass Nadine Illustratorin und Grafikdesignerin ist. Verzweifeln Sie also nicht, wenn es bei Ihnen nicht auf Anhieb vergleichbar aussieht. Wenn Sie in den sozialen Netzwerken oder im Internet nach Sketchnotes suchen, werden Sie sehen, dass Sie mit Ihren nicht ganz so perfekten Sketchnotes nicht allein sind und man es auch ganz anders machen kann als Nadine. Jeder Ersteller hat seinen eigenen Stil und jeder bringt unterschiedliche Fähigkeiten und Erfahrungen mit. Manche können unglaublich gut zeichnen, andere beherrschen verschiedene Schriften. Wieder andere fangen gerade erst mit dem Sketchnoting an und probieren alles Mögliche aus. Genau das sollten Sie auch tun. Ich hoffe, dass es Ihnen leichter fällt, wenn Sie Ihre Icons zunächst zur Strukturierung Ihrer Notizen eingesetzt haben.
Sketchnote-Icons auf Karteikarten
Auch Ihre Karteikarten zum Lernen können Sie mit Sketchnote-Icons versehen. Im Grunde machen Sie hier nichts anderes als bei den Vorlesungsmitschriften. Nur das Format ist ein anderes. Außerdem können Sie die räumliche Aufteilung der Karteikarte planen. Zeichnen Sie gelegentlich Sachverhaltsskizzen auf Ihre Karteikarten? Auch diese lassen sich mit Sketchnote-Icons aufpeppen.
Gedruckte Texte strukturieren und anschaulicher gestalten
Sketchnote-Icons sind auch etwas für gedruckte Texte. Wenn Sie sich z. B. am Computer selbst Skripte zum Lernen schreiben, können Sie so verfahren wie bei Vorlesungsmitschriften: Geben Sie Ihrem Dokument einen breiten Rand und platzieren Sie auf diesem anschließend im Ausdruck Ihre Icons.
Sie werden merken, dass sich Ihr Vorhaben auch auf die Konzeption des Skripts auswirkt, weil die Icons die Struktur des Textes sichtbar machen oder Sie erstmals zwingen, überhaupt über eine sinnvolle Struktur nachzudenken. Auch wenn Juristen eigentlich mit Bildern nicht viel am Hut haben (leider, muss man sagen), ist deren Einfluss auf das strukturierte Denken nicht zu unterschätzen. Sie überlegen nämlich eher: Was gehört wo hin? Was ist das hier für ein Inhalt? Ist das eine andere Meinung als die, die jemand anders äußert, oder gehört beides in einen Kasten? In welche Reihenfolge gehören die Inhalte? Welche Struktur lässt sich erkennen?
Sie können auch mal versuchen, Beiträge aus Fachzeitschriften oder Auszüge aus Lehrbüchern zu kopieren und passende Icons an den Rand zu setzen (verkleinern Sie die Kopie etwas, dann haben Sie mehr Platz am Rand). Hat der Autor die Struktur seines Textes im Griff? Was meinen Sie? Noch wichtiger als die Beurteilung der Textstruktur ist, dass die Aufgabe Sie zwingt, einen Text wirklich konzentriert zu lesen und den Gedankengang des Autors nachzuvollziehen. Die Sketchnote-Icons fordern Sie auf spielerische Art und Weise zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Text auf. Das macht sie wertvoll.
Komplexe Inhalte in Sketchnotes verwandeln
Ein ganz anderer Ansatz im Sketchnoting besteht darin, komplexe Inhalte in Sketchnotes zu verwandeln. Unten sehen Sie z. B. meinen ersten Versuch, eine Rechtsvorschrift als Sketchnote darzustellen. Hier geht es nicht um die schnelle Notiz, sondern um die gut strukturierte Übersetzung von Inhalten in eine handgezeichnete Übersicht. Entsprechend groß ist der Aufwand. Es macht aber auch sehr viel Spaß. Außerdem habe ich viel gelernt über den Schuldnerverzug – ich glaube mehr, als ich zu Studienzeiten jemals wusste. Die visuelle Umsetzung der Inhalte zwingt dazu, eine Vorschrift wirklich zu durchdringen und die richtigen Fragen zu stellen. Wenn ich in meiner Examensvorbereitungszeit bereits von Sketchnotes gehört hätte, ich hätte glaub ich viele derartige Visualisierungen versucht. Diese Form der Aufzeichnung ist einfach deutlich effizienter als das, was man üblicherweise an Text auf Karteikarten schreibt (darin war ich auch Weltmeisterin). Die Übersichten eignen sich zudem wunderbar zum Wiederholen und Sie behalten die Inhalte besser.
Weitere Sketchnote-Beispiele dieser Art finden Sie bei meinen Arbeitsproben.