Schaubilder eignen sich hervorragend, um rechtliche Strukturen und Zusammenhänge anschaulich zu vermitteln und anderen Menschen das Verstehen von Recht zu erleichtern. Wahrscheinlich können auch die meisten Zielgruppen der Leichten Sprache von derartigen Visualisierungen profitieren. Die Frage ist nur: Wie müssen juristische Schaubilder in Leichter Sprache konkret aussehen, um das anvisierte Ziel zu erreichen? Das möchte ich herausfinden und habe mir deshalb mal drei Themen beispielhaft zur Visualisierung vorgenommen. Die Ergebnisse zeige ich Ihnen in diesem Beitrag. Dabei lasse ich Sie sowohl an den Problemen und Fragen, aber auch an den Erkenntnissen teilhaben, die mich bei der Erstellung begleitet haben.
Mein erster Versuch, ein juristisches Schaubild in Leichter Sprache zu erstellen, liegt mittlerweile über zwei Jahre zurück. Wie Sie bei zwei der in diesem Beitrag vorgestellten Schaubildbeispiele sehen werden, knüpfe ich aber an das erste Schaubild an. Mittlerweile bin ich gefühlt ein großes Stück weitergekommen, deshalb gibt es nun einen weiteren Beitrag zum Thema.
Sie wollen zunächst einmal verstehen, was es überhaupt mit Leichter Sprache auf sich hat? Dann hier noch mal eine Definition:
Leichte Sprache ist ein noch relativ junges Sprachkonzept, das die deutsche Sprache maximal vereinfacht, damit auch Menschen, die aufgrund einer Leseeinschränkung keinen Zugang zur Standardsprache haben, Texte lesen und verstehen können. Die sprachliche Vereinfachung geht mit einer optischen Darbietung der Texte einher, die das Lesen erleichtert.
Für alles, was Sie sonst über Leichte Sprache wissen sollten, bitte hier entlang: 7 Dinge, die Sie über Leichte Sprache wissen sollten.
Warum juristische Schaubilder in Leichter Sprache?
Sie müssen nur wenige Seiten juristischen Text in Leichter Sprache lesen, um Folgendes zu realisieren: Es ist eine Herausforderung der besonderen Art, die Komplexität des Rechts allein mit kurzen Hauptsätzen abzubilden. Man kommt nicht umhin, die Inhalte in Gestalt kleinster Informationshäppchen aneinanderzureihen. Dabei folgt die Reihenfolge durchaus einer inneren Logik und jedes Detail ist auch in sich verständlich. Das Problem ist jedoch, dass der Text nicht oder kaum in der Lage ist, im Kopf der Leser ein Konzept, ein Bild von Zusammenhängen entstehen zu lassen, das als solches abgespeichert werden kann. So ist es sehr schwer für die Leser, den Überblick zu behalten, das Gelesene in seiner Gesamtheit zu verstehen und es auf die eigene Lebenssituation anzuwenden. Um es anhand des Bildes vom Wald zu sagen, den man vor lauter Bäumen nicht mehr sieht: Die Leser kennen am Ende möglicherweise jeden Baum im Wald, haben aber keine Vorstellung davon, was ein Wald ist, welchen Nutzen er für Sie haben könnte und was einen Laubwald von einem Tannenwald unterscheidet.
Juristische Schaubilder in Leichter Sprache setzen genau hier an: Sie visualisieren Strukturen und Zusammenhänge, die über den Text allein nicht oder nur unzureichend vermittelt werden können. Erreicht wird das dadurch, dass Text zwar auch linear, vor allem aber so angeordnet wird, dass Beziehungen zwischen Inhalten sichtbar werden. Gesteuert wird der Blick dabei nicht nur durch die übliche Leserichtung, sondern insbesondere durch Pfeile, Farben und andere Gestaltungselemente.
Nachfolgend stelle ich Ihnen drei Schaubilder vor. Anschließend gehe ich dann auf die Probleme ein, die es bei ihrer Erstellung zu lösen galt, lass Sie wissen, auf welche Fragen ich nach wie vor eine Antwort suche, und welche Erkenntnisse ich bisher in Bezug auf juristische Schaubilder in Leichter Sprache gewonnen habe.
3 Schaubildbeispiele
Schaubild 1 veranschaulicht, wie drei gängige Varianten der Stimmabgabe bei der Bundestagswahl ablaufen.
Schaubild 2 vermittelt einen Überblick über die Begriffe Vorsorgevollmacht, rechtliche Betreuung und Betreuungsverfügung.
Schaubild 3 widmet sich der Konstellation, dass zwei Personen eine Vorsorgevollmacht vom selben Vollmachtgeber erhalten. Hier muss sich der Vollmachtgeber entscheiden, ob die Personen jeweils allein oder nur gemeinsam vertretungsberechtigt sein sollen .
Gibt es die Schaubilder auch mit weniger Text?
Sicher fällt Ihnen auf, dass alle drei Schaubilder relativ viel Text enthalten. Das ist zunächst nichts Ungewöhnliches, denn juristische Schaubilder enthalten unabhängig von ihrer Zielgruppe immer Text, manchmal auch mehr, als mir lieb ist. Zu tun hat das damit, dass die Juristerei seit jeher eine Wissenschaft der Sprache ist und Recht nur mithilfe von Text in seiner Differenziertheit vermittelt werden kann. Dennoch ist der Umgang mit Text bei Schaubildern, die auch von den primären Zielgruppen der Leichten Sprache verstanden werden sollen, deutlich anders als bei Schaubildern für andere Zielgruppen. Während ich es sonst gewohnt bin, bei der Schaubilderstellung die Inhalte eines Textes völlig neu aufzubereiten und dabei mit möglichst wenig Text auszukommen, empfinde ich es im Leichte-Sprache-Kontext so, dass die lineare Struktur des Fließtextes aufgebrochen und der Text als solcher anders angeordnet wird.
Natürlich bin ich auch bei Schaubildern in Leichter Sprache auf Reduktion aus und kann vorliegenden Fließtext nicht 1:1 übernehmen. Ich merke jedoch, dass die Grenzen des Kürzens, Komprimierens und didaktischen Reduzierens deutlich schneller erreicht sind. Ein Grund dafür ist, dass man gerade in einem fachlichen Kontext kein Vorwissen der Zielgruppen voraussetzen kann. Auch können (vermutlich) Erklärungen, die zuvor Gegenstand eines Fließtextes waren (z. B. in einer Informationsbroschüre), nicht ohne Weiteres als bekannt vorausgesetzt werden. Der Erklärungsbedarf bei vielen Sätzen und Wörtern ist deshalb entsprechend groß. Daran anknüpfend möchte ich meine Erkenntnis wie folgt formulieren:
Juristische Schaubilder für die Zielgruppen Leichter Sprache enthalten mehr Text als Schaubilder für andere Zielgruppen. Der Text ist im Grundsatz genauso gestrickt wie Fließtext in Leichter Sprache. Es wird also viel erklärt und wiederholt. Da es manchen Adressaten möglicherweise schwerfällt, Inhalte aus einem begleitenden Text mit dem Schaubild zu verknüpfen, sollte dieses nach Möglichkeit selbsterklärend sein. Dennoch sei empfohlen, juristische Schaubilder in Leichter Sprache in Kombination mit einem informierenden Text zu verwenden oder sie mündlich zu erläutern, da die Aufnahme des Inhalts über verschiedene Medien (Wort und Bild) üblicherweise zum Verständnis beiträgt.
Ein Schaubild erstellen zu müssen, das einen ähnlich hohen Informationsgehalt aufweist wie ein Fließtext, klingt stark nach einer Quadratur des Kreises – und genau das ist es auch. In den drei Schaubildbeispielen war es eine der schwierigsten Aufgaben, in Bezug auf Umfang und Inhalt des Textes die „richtigen“ Entscheidungen zu treffen. Es ist eine ständige Gratwanderung: Gibt es zu wenig Text, wird das Schaubild als Ganzes unverständlich und verliert seinen Sinn. Gibt es zu viel Text, bleibt kaum noch Raum, die Strukturen zu visualisieren, die das Schaubild vermitteln soll, oder es ist kein Platz mehr für Bilder. Ein gutes Beispiel für diesen Konflikt ist das Schaubild zur Stimmabgabe (Beispiel 1), das ursprünglich mit 12-Punkt-Schrift auf ein DIN-A4-Blatt passen sollte. Am Ende ist es ein DIN-A3-Format geworden, dafür allerdings mit 14-Punkt-Schrift.
Meine Erkenntnis:
Juristische Schaubilder in Leichter Sprache brauchen viel Platz und haben mit großer Wahrscheinlichkeit mindestens die Größe eines DIN-A4-Blattes. Legt man Wert auf die Schriftgröße 14 pt, die für Texte in Leichter Sprache gilt, ist wahrscheinlich DIN A3 die Mindestgröße.
Kann man nicht einfach das Thema enger fassen?
Das ist in der Tat ein guter Ansatz, wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht. Die Frage ist nur: Funktioniert das Schaubild als solches noch, wenn Inhalte wegfallen? Nehmen wir Beispiel 3, die Vorsorgevollmacht für zwei Bevollmächtigte. Hier soll gerade auf einen Blick sichtbar sein, dass bei der Bevollmächtigung von zwei Personen die Entscheidung zu treffen ist, ob beide Personen jeweils allein oder nur gemeinsam vertretungsberechtigt sein sollen. Würde ich z. B. die Gesamtvertretung (rechte Spalte) in ein anderes Schaubild auslagern, könnte ich die Ausführungen zur Einzelvertretung (linke Spalte) genauso gut als Fließtext aufbereiten und die Bilder am Rand platzieren, denn der Sinn des Schaubildes hat sich mit dem Wegfall der Gesamtvertretung erledigt.
Auch kann man in diesem Schaubild aus meiner Sicht nicht darauf verzichten, die verschiedenen Konstellationen der Einzel- und Gesamtvertretung darzustellen. Es ist dem Betrachter sonst nämlich weder möglich, die Bedeutung dieser beiden Begriffe zu verstehen, noch ihr Konfliktpotenzial zu erkennen. Beides ist aber wichtig, um ihm überhaupt eine überlegte Entscheidung für eine der beiden Vertretungsvarianten zu ermöglichen.
Wie steht es um die Gestaltungsregeln für den Text im Schaubild?
Neben der Schriftgröße gibt es noch weitere Gestaltungsregeln für Text in Leichter Sprache. Zum Beispiel soll es einen 1,5fachen Zeilenabstand geben, der Text soll linksbündig ausgerichtet sein, Trennungen am Zeilenende sind tabu, jeder Satz soll in einer neuen Zeile beginnen und es wird viel mit Einrückungen gearbeitet, um die Textstruktur zu verdeutlichen. Diese Regeln sind ein Grund dafür, warum Leichte-Sprache-Texte immer deutlich länger sind als die Ausgangstexte. Das Layout beansprucht viel Raum.
Ein Text kann im Prinzip unendlich lang werden (ob er es sollte, ist eine andere Frage). Bei einem Schaubild ist das nicht so, weil es sich nur in der Fläche ausdehnt. Hier setzt ganz schnell das Format des Mediums Grenzen. Bei dem DIN-A3-Poster zur Stimmabgabe müsste man z. B. schon überlegen, ob man dafür eine Doppelseite in einer DIN-A4-Broschüre vorsehen will. Häufig wird so etwas nicht möglich oder gewollt sein. Bei einer Online-Veröffentlichung wiederum setzt die Größe des verwendeten Bildschirms Grenzen, denn ein Schaubild, das man nicht in seiner vollen Größe betrachten (und lesen) kann, verfehlt sein Ziel, einen Überblick liefern zu wollen, und ist deshalb nicht besonders hilfreich.
Selbst beim Poster zur Stimmabgabe habe ich trotz des großen Formats die Gestaltungsregeln für den Text nicht alle einhalten können, weil der Platz es nicht zuließ. Meine Erkenntnis ist deshalb folgende:
Die Gestaltungsregeln für Texte in Leichter Sprache lassen sich in Schaubildern höchstens teilweise und nur mit Mühe einhalten. Der Grund dafür ist in erster Linie der fehlende Platz.
Ja, ich gebe zu, zuweilen möchte ich den Regeln auch aus gestalterischen Gründen nicht folgen. So sieht es z. B. nicht gut aus, wenn in schmalen Textkästen große Löcher an den Zeilenenden entstehen. Die Frage ist: Kann und muss man bei der Textgestaltung im Rahmen von Schaubildern nicht ganz bewusst Abstriche machen, weil die Schaubildstruktur oberste Priorität hat und beim Erfassen der Inhalte hilft? Oder kann man sich das Schaubild gleich ganz sparen, wenn der Text nicht optimal lesbar ist? Sie kennen die Antwort? Großartig. Dann freue ich mich auf Ihren Kommentar.
Wie finden sich die Zielgruppen im Schaubild zurecht?
Selbst wenn der Text im Schaubild für die jeweilige Zielgruppe gut lesbar ist, ist es damit allein allerdings noch nicht getan. Auch eine klare äußere Struktur und die Erkennbarkeit der Leserichtung tragen wesentlich dazu bei, dass die Adressaten in der Lage sind, den Inhalt des Schaubildes zu erfassen. Das gilt grundsätzlich für Schaubilder, hat also erstmal nicht speziell etwas mit Leichter Sprache zu tun.
Die Leserichtung ist normalerweise von links nach rechts und von oben nach unten. Daran orientiert sich in der Regel auch ein Schaubild. Anders als bei reinem Text wird die Linearität hier jedoch auch bewusst durchbrochen. Damit dies den Betrachter nicht verwirrt, ist es wichtig, ihm mit Pfeilen oder z. B. durch eine Nummerierung zu vermitteln, in welcher Reihenfolge er die Bestandteile des Schaubildes näher betrachten und den enthaltenen Text lesen soll. Ergänzend helfen z. B. die Farben von Textkästen, große und kleine Abstände, Rahmenlinien, eine farbige Unterlegung einzelner Bereiche des Schaubildes u. ä. bei der Orientierung.
Im Leichte-Sprache-Kontext stellt sich nun die Frage, ob es vermeintliche Orientierungs- und Lesehilfen gibt, die von bestimmten Zielgruppen nicht ohne Weiteres verstanden werden und deshalb besser nicht in einem Schaubild verwendet werden sollten.
So können beispielsweise auch geschlossene Fragen oder Alternativfragen als Weichen dienen und auf diesem Wege Einfluss auf die Leserichtung nehmen. In meinen Beispielen setze ich voraus, dass die Adressaten in der Lage sind, mit derartigen Weichen umzugehen. Ob das wirklich so ist, weiß ich nicht, und wäre insofern dankbar, wenn Sie mich an Ihren Erfahrungen teilhaben lassen. Das Schaubild 1 zur Stimmabgabe bietet für beide Fragetypen ein Beispiel. So findet sich fast ganz oben die Alternativfrage: „Wie wollen Sie wählen?“ Hier kann sich der Betrachter für eine von zwei Möglichkeiten entscheiden (Wahl im Wahllokal oder Briefwahl). Mit seiner Entscheidung steht zugleich fest, an welcher Stelle es für ihn im Schaubild weitergeht. Zwei dunkelblaue Kästen weiter folgt dann die geschlossene Frage „Wollen Sie dort (in Ihrem Wahllokal) wählen?“ Je nach Antwort (ja oder nein) liest der Betrachter in der linken oder mittleren Spalte weiter.
Schon deutlich gewagter ist wahrscheinlich mein Versuch, den Adressaten in der linken Spalte mit dem Verweis auf den blauen und gelben Punkt den weiteren Weg durch das Schaubild weisen zu wollen:
Die Idee war eine Notlösung, denn es kam in diesem Fall nicht in Betracht, die Richtung mit Pfeilen vorzugeben. Wo hätten diese langführen sollen? Also habe ich es so probiert und wäre sehr neugierig, wie die verschiedenen Zielgruppen der Leichten Sprache mit dieser Art der Navigationshilfe zurechtzukommen. Die Alternative wäre sonst wohl, den Kasten komplett zu streichen. Das hätte den Vorteil, dass dann auch der Ablauf der Wahl klarer wäre, weil er nicht von einer Information unterbrochen wird, die nicht Teil des Ablaufs ist (ich habe versucht, dies mit einer anderen Farbgebung des Kastens kenntlich zu machen). Der Nachteil wäre, dass das Thema Barrierefreiheit des Wahllokals dann im Schaubild nicht thematisiert würde. Auch fragt man sich ggf. in Bezug auf die mittlere Spalte, welche Gründe einen dazu veranlassen könnten, in einem anderen Wahllokal desselben Wahlkreises seine Stimme abgeben zu wollen (was nicht heißt, dass es dafür nicht auch andere Gründe geben kann).
Schließlich gibt es noch die besondere Herausforderung der Schaubilder mit verschiedenen Leserichtungen. Am Beispiel 2 möchte ich erläutern, was damit gemeint ist. Hier werden Vorsorgevollmacht und rechtliche Betreuung als zwei Möglichkeiten der Vertretung nicht mehr allein entscheidungsfähiger Personen nebeneinander gestellt.
Die primäre Leserichtung wird durch die beiden roten Überschriftenkästen und die grau unterlegten Textblöcke darunter vorgegeben. Der Betrachter wird sich wahrscheinlich beide Spalten nacheinander anschauen und sie von oben nach unten lesen. Die Herausforderung bestand nun darin, ihm zugleich zu ermöglichen, die Inhalte in beiden Spalten miteinander zu vergleichen. Deshalb stehen die Informationen und vor allem auch die Bilder, die sich jeweils entsprechen, im Schaubild auf gleicher Höhe nebeneinander. Das erste Bild veranschaulicht, wer jeweils wie den rechtlichen Vertreter bestimmt, und das zweite, wie es mit der Kontrolle dieser Person durch das Gericht aussieht. Die Leserichtung ist hier also vergleichbar mit dem zeilenweisen Lesen einer Tabelle von links nach rechts. Ich vermute, dass diese Leserichtung nicht für jeden ohne Weiteres ersichtlich ist, wollte sie aber auch nicht deutlicher hervorheben, um Betrachter nicht zu verwirren, die ohnehin Schwierigkeiten bei der Orientierung im Schaubild haben. Glücklicherweise ist das Verständnis des Schaubildinhalts nicht davon abhängig, beide Leserichtungen zu erkennen. Vielleicht fragt sich allerdings der eine oder andere, was das Bild unten links soll, denn es erklärt sich nur im Vergleich zum rechten Bild: Während dort mit Auge und Pfeil visualisiert ist, dass das Gericht den Betreuer kontrolliert, fehlt diese Verbindung im linken Bild. Die Abwesenheit von Etwas lässt sich halt schwer visualisieren.
In Bezug auf Struktur und Leserichtung juristischer Schaubilder in Leichter Sprache konnte ich bisher in dem Sinne keine Erkenntnisse gewinnen. Ich kann nur Folgendes festhalten:
Nicht nur Texte in Leichter Sprache müssen hohe Anforderungen in Bezug auf die Verständlichkeit erfüllen, auch Schaubilder müssen es. Ihr Vorteil, lineare Strukturen durchbrechen zu können, um Zusammenhänge zu veranschaulichen, ist immer mit dem Risiko verbunden, dass der Betrachter die Orientierung verliert. Von daher ist stets darauf zu achten, dass Struktur und Leserichtung des Schaubildes ohne Weiteres nachvollziehbar sind.
Was ist in Bezug auf Piktogramme/Icons im Schaubild zu beachten?
Piktogramme/Icons und Figuren sind nicht nur Blickfänger, die juristische Schaubilder lebendig machen und Neugier wecken, sondern können außerdem zum Verständnis der Inhalte beitragen. Gerade bei Menschen, die sich mit dem Lesen schwertun, sind diese Wirkungen wichtig und bauen möglicherweise die Hemmschwelle ab, sich überhaupt mit einem rechtlichen Thema zu befassen.
Piktogramme werden in juristischen Schaubildern entweder ikonisch oder symbolisch/metaphorisch eingesetzt.
- Ikonisch bedeutet: Das Piktogramm steht für einen bestimmten Gegenstand, der als solcher wiedererkannt werden soll. So soll der Betrachter im Schaubild zur Stimmabgabe z. B. die Wahlbenachrichtigung anhand des Umschlags mit entsprechendem Aufdruck erkennen und den Stimmzettel als solchen identifizieren.
- Symbolisch (bzw. metaphorisch) bedeutet: Das Piktogramm steht für etwas anderes als den abgebildeten Gegenstand, dieser hilft aber dabei, das andere zu assoziieren. So steht das Sparschwein in Schaubild 3 allgemein fürs Sparen, unabhängig von der konkreten Form der Geldanlage, und der Arztkoffer für Fragen rund um die Gesundheit bzw. Krankheit.
Außerhalb des Leichte-Sprache-Kontextes ist die symbolische oder metaphorische Bedeutung von Piktogrammen (auch in Kombination mit Figuren und/oder anderen Piktogrammen) in der Regel schnell erkennbar bzw. erlernbar, wenn man die Bilder als Teil einer Text-Bild-Kombination in das Schaubild einbettet. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Mithilfe des Textes kann ich dem Bild seine konkrete Bedeutung im Schaubild ausdrücklich zuweisen. Zugleich veranschaulicht das Bild aber auch den Text. Es erleichtert dem Leser, sich das Gesagte vorzustellen. Beides zusammen macht die Stärke der Text-Bild-Kombination aus, die zum einen zum Verständnis des Inhalts beiträgt und zugleich dafür sorgt, dass er leichter im Gehirn abgespeichert und erinnert werden kann. Da die Kombination nur als solche funktioniert, ist es immer wichtig, darauf zu achten, dass Bilder so im Schaubild platziert werden, dass der Bezug zum erklärenden Text erkennbar ist.
Noch unbeantwortet ist für mich die Frage, inwieweit die verschiedenen Zielgruppen der Leichten Sprache die symbolische/metaphorische Bedeutung von Piktogrammen in derartigen Text-Bild-Kombinationen verstehen können. Reicht der Text im Schaubild aus, um die Bedeutung des Bildes zu vermitteln? Oder wäre es besser, dem Schaubild eine Legende beizufügen, um die Bilder an einer Stelle gezielt zu erklären? Bei meinen Beispielen stellt sich diese Frage besonders beim Bild für die Vollmacht, das zugegebenermaßen sehr abstrakt ist. Auch bin ich mir unsicher, ob das rote Auge in Kombination mit dem Pfeil in Schaubild 2 trotz des darauf hindeutenden Textes als Kontrolle verstanden wird.
Nachtrag
Nach Rückmeldungen zu den Schaubildern gibt es inzwischen eine überarbeitete Fassung des Schaubildes zur Vorsorgevollmacht, rechtlichen Betreuung und Betreuungsverfügung. Ich habe die Inhalte nunmehr auf zwei Schaubilder verteilt. Das zweite ist dabei zwingend auf das erste angewiesen, da dort die Vorsorgevollmacht erklärt wird.
In dem Beitrag Visualisierung rechtlicher Inhalte in Leichte-Sprache-Texten finden Sie eine nochmals überarbeitete Fassung, die wieder auf die Darstellung in einer Übersicht setzt.