Was macht eigentlich gute Lehre aus? Und was können unterrichtende Jurist:innen an den Hochschulen für den Lernerfolg der Studierenden tun? Diesen Fragen geht Prof. Dr. Jan M. Eickelberg in seinem Buch „Didaktik für Juristen“ nach, das Anfang Juli bei Vahlen erschienen ist. Der Hochschullehrer stellt zunächst verschiedene Lerntheorien vor, um sich anschließend der konkreten Konzeption, Durchführung und Nachbereitung juristischer Lehrveranstaltungen zu widmen. Die Erkenntnisse aus den Lerntheorien fasst er in sieben didaktische Grundlagen guter Lehre zusammen. Mich hat das zu diesem Blogbeitrag inspiriert, mit dem ich Sie zu guter Lehre anstiften und Ihnen das Buch ans Herzen legen möchte.
Lerntheorien mögen einem Juristen für sich genommen wenig interessant erscheinen. Jan Eickelberg macht die Erkenntnisse daraus jedoch direkt für die Praxis nutzbar, und das in einem gut strukturierten Buch mit einem überschaubaren Umfang von 200 Seiten. Ich fand die Zusammenfassung der Erkenntnisse aus den Lerntheorien schon so griffig und hilfreich für die Praxis, dass ich sie spontan in Tipps verwandeln und visualisieren wollte. Deshalb gibt es nun diesen Beitrag. Inhaltlich orientiere ich mich im Wesentlichen an den Ausführungen von Eickelberg, habe mir allerdings erlaubt, Kleinigkeiten zu ergänzen und die Tipps etwas anders zu benennen als die sieben didaktischen Grundlagen im Buch.
Jan M. Eickelberg
Didaktik für Juristen
Wissensvermittlung – Präsentationstechnik – Rhetorik
Vahlen Jura 2017
Weitere Infos auf der Verlagsseite
1. Stecken Sie mit Ihrer Begeisterung an
Die Studierenden behalten das Gelernte vor allem dann, wenn sie motiviert und persönlich am Thema interessiert sind. Nur wie schaffen Sie es als Lehrperson, auf die Motivation der Studierenden einzuwirken? Es ist keine leichte Aufgabe und doch gibt es möglicherweise einen Weg, der Sie ohne größere Anstrengung zum Ziel führt: Stecken Sie mit Ihrer Begeisterung für den Lehrstoff an! Und lassen Sie die Studierenden spüren, welche leidenschaftliche Neugier Sie antreibt, sich mit ihm zu befassen. Wenn Sie für „Ihr“ Thema brennen, besteht die Chance, dass der Funke überspringt und das Feuer auch bei den Studierenden entfacht.
2. Wiederholen Sie wichtige Inhalte regelmäßig
Erschreckend, aber wahr: Einen großen Teil dessen, was wir neu dazulernen, haben wir innerhalb kürzester Zeit wieder vergessen. Das gilt auch für die Studierenden in Ihren Lehrveranstaltungen. Folglich können Sie bereits behandelten Stoff nicht ohne Weiteres als bekannt voraussetzen. Im Gegenteil. Sie können ihn gar nicht oft genug wiederholen. Gewöhnen Sie sich also an, Gesagtes noch einmal zusammenzufassen, neuen Stoff anhand von Fällen zu wiederholen und bewusst immer wieder in unterschiedlichen Kontexten auf wichtige Inhalte vergangener Unterrichtsstunden zurückzukommen.
3. Arbeiten Sie mit Visualisierungen
Informationen bleiben nachhaltiger im Gedächtnis, wenn sie gleichzeitig über verschiedene Sinneskanäle aufgenommen werden. Allein das ist ein guter Grund, in der Lehre auch auf Visualisierungen zu setzen. Schaubilder erleichtern zudem die strukturierte Vermittlung von Inhalten, denn Zusammenhänge, Abläufe und Systematiken können sichtbar gemacht und Themen im Überblick präsentiert werden. Im Übrigen konzentrieren sie sich auf Wesentliches (siehe Tipp Nr. 7) und eignen sich hervorragend zum Wiederholen (siehe Tipp Nr. 2).
Hilfreich ist es überdies, wenn Sie „in Bildern sprechen“, also z. B. Metaphern nutzen, um Inhalte zu vermitteln. Unser Gehirn unterscheidet bei der Verarbeitung visueller Informationen interessanterweise nicht zwischen echten und vorgestellten Bildern. Folglich lässt sich auch mit Worten darauf hinwirken, dass Informationen wie Bilder im Gehirn verarbeitet und gespeichert werden.
4. Setzen Sie auf verschiedene Lernmethoden
Die einseitige Wissensvermittlung in Form des Frontalunterrichts ist nur scheinbar effektiv, denn spätestens nach 20 Minuten ist es den Studierenden nicht mehr möglich, aufmerksam zuzuhören. Das gilt selbst dann, wenn sie motiviert sind. Gegensteuern können Sie, indem Sie zusätzlich auf aktivierende Lehr- und Lernmethoden setzen. Lassen Sie die Studierenden z. B. diskutieren, Aufgaben und Fälle lösen, Schaubilder zeichnen, veranstalten Sie ein Quiz oder überprüfen Sie durch entsprechende Fragen, ob Vorgetragenes verstanden wurde. Hauptsache, die Studierenden sind aktiv am Lerngeschehen beteiligt. So werden sie am meisten von dem behalten, was Sie ihnen vermitteln wollen.
5. Knüpfen Sie an das Vorwissen und Leistungsniveau der Studierenden an
Sie können den Lernerfolg der Studierenden verbessern, indem Sie neuen Stoff mit bereits bekannten Inhalten in Verbindung bringen. Das kann z. B. in der Form geschehen, dass Sie rechtliche Zusammenhänge und Systematiken veranschaulichen, auf Unterschiede und Überschneidungen hinweisen, Advance Organizer einsetzen, die den Lernprozess strukturieren, oder bei der Vermittlung von Informationen an die Lebenswelt der Studierenden anknüpfen. Hintergrund ist, dass sich Informationen leichter aufnehmen lassen, wenn das Gehirn sie mit vorhandenem Wissen vernetzen kann. Zur Veranschaulichung von Strukturen und Zusammenhängen eignen sich wiederum Schaubilder (siehe Tipp Nr. 3). Umsetzen können Sie den Tipp freilich nur dann, wenn Sie das Leistungsniveau der Studierenden kennen: Auf welchem Wissensstand befinden sie sich? Welche Vorkenntnisse bringen sie mit? Und welchen Gipfel wollen sie erreichen?
6. Schaffen Sie eine konstruktive Lern- und Feedbackkultur
In einem positiven Umfeld, in dem wir Wertschätzung erfahren, Fehler machen dürfen und für gute Leistungen belohnt werden, fällt uns das Lernen besonders leicht. Wesentliche Grundlage dafür ist ein gutes Verhältnis zwischen Lehrperson und Lernenden. Auf dieses können Sie hinwirken, indem Sie den Studierenden auf Augenhöhe begegnen, ihren Antworten und Diskussionsbeiträgen aufgeschlossen gegenüberstehen und diese mit positivem und konstruktivem Feedback honorieren. Auch sollten Sie sich immer mal wieder durch entsprechende Nachfragen vergewissern, ob die Studierenden Ihnen noch folgen können. Wie in Tipp Nr. 4 gesehen, stellt dies zugleich ein aktivierende Lehrmethode dar.
Versuchen Sie, die Studierenden wegweisend und unterstützend zu ihrem Lernziel zu begleiten und dabei stets mit ihnen im Gespräch zu sein.
7. Strukturieren und beschränken Sie den Lehrstoff
Die Studierenden behalten neue Inhalte besser, wenn diese strukturiert vermittelt werden. Dazu gehört nicht nur eine klare Gliederung Ihrer Lehrveranstaltung und der berühmte rote Faden, sondern auch, dass Sie sich bei der Vermittlung der Inhalte besonders auf wesentliche Strukturen, Kerngedanken, Grundprinzipien und -regeln konzentrieren. Erst wenn die Studierenden diese wirklich verstanden haben, lohnt es, sie auch mit Details und Ausnahmen zu behelligen. Das Gehirn braucht klare Strukturen und einen Überblick, bevor es Einzelinformationen zuordnen und an der richtigen Stelle abspeichern kann.
Die Konzentration auf Wesentliches hat zur Folge, dass Sie gar nicht umhin kommen, den Lehrstoff zu beschränken. Sie werden nicht jede Ausnahme und jeden Meinungsstreit vermitteln können. Wenn Sie den Studierenden jedoch dabei helfen, die Grundstrukturen des Rechts zu durchdringen, schaffen Sie die Grundlage dafür, dass sie in Prüfung und Praxis später selbst Falllösungen erarbeiten, Argumente entwickeln, Details recherchieren und sich konstruktiv mit Rechtsfragen auseinandersetzen können.
Wie Sie die sieben Tipps in der Planung, Durchführung und Nachbereitung Ihrer Lehrveranstaltungen umsetzen, erfahren Sie im Buch von Jan Eickelberg. Ich wünsche Ihnen eine gewinnbringende Lektüre, viel Spaß an guter Lehre und lernbegeisterte Studentinnen und Studenten mit einem ausgeprägten Interesse speziell an Ihren Vorlesungen und Seminaren. Und wenn Sie Unterstützung bei der Visualisierung Ihres Lehrstoffs benötigen, sprechen Sie mich gerne an.