Gefühlt war 2017 das bislang kürzeste Jahr meiner Selbstständigkeit: Kaum hat es angefangen, ist es auch schon wieder vorbei. Dabei türmen sich hier noch zahlreiche Dinge, die ich mir eigentlich für dieses Jahr vorgenommen hatte … Aber es gibt auch gute Nachrichten: Ich habe endlich herausgefunden, wie ich die Rechtsvisualisierung für die barrierefreie Kommunikation (konkret: die Vermittlung von Rechtsinformationen in Leichter Sprache) nutzbar machen kann. Überhaupt war die Leichte Sprache mit Abstand das wichtigste Thema in diesem Jahr. Deshalb widme ich ihr auch den gesamten ersten Teil meines Rück- und Ausblicks. Was mich sonst beschäftigt hat, erfahren Sie im zweiten Teil, der in Kürze folgt.
Bereits Ende 2016 kündigte sich an, dass ich mich 2017 erneut und wahrscheinlich intensiver als zuvor mit der Leichten Sprache auseinandersetzen würde (zur Vorgeschichte schreibe ich im verlinkten Beitrag etwas, bitte scrollen Sie dort zum letzten Abschnitt). Trotzdem kam es am Ende ganz anders und viel schöner als erwartet.
Für alle, die mit Leichter Sprache noch nicht viel verbinden:
Leichte Sprache ist ein Sprachkonzept, das die deutsche Sprache maximal vereinfacht, damit auch Menschen, die aufgrund einer kognitiven Beeinträchtigung oder eingeschränkten Lesefähigkeit keinen Zugang zur Standardsprache haben, Texte lesen und verstehen können.
Berliner Stammtisch zu verständlicher Kommunikation
Das Jahr begann damit, dass sich in der Xing-Gruppe „Leichte Sprache“ ein paar sprachbegeisterte Menschen fanden, die sich in Berlin regelmäßig zum Thema austauschen wollten. Normalerweise umschiffe ich Stammtische ja großräumig, aber zu diesem hatte ich von Anfang an richtig große Lust und habe sogar die (sehr überschaubare) Organisation übernommen. Die monatlichen Treffen waren und sind immer sehr anregend und machen viel Spaß. Mittlerweile hat sich ein fester Kern von vier Leuten herauskristallisiert, die regelmäßig kommen. Außerdem haben wir das Thema im Sommer weiter gefasst. Es geht jetzt nicht mehr nur um Leichte Sprache, sondern generell um verständliche Kommunikation in Wort und Bild.
Leichte-Sprache-Workshop in Hildesheim
Ende März ging’s dann zum zweitägigen Leichte-Sprache-Workshop der Forschungsstelle Leichte Sprache nach Hildesheim. Dort habe ich nicht nur viel über Leichte Sprache gelernt, sondern auch sehr nette Menschen getroffen. Ich bin schon lange nicht mehr so beflügelt (wenn auch völlig erschöpft) von einer Veranstaltung nach Hause gefahren. Was ich selbst beruflich mit Leichter Sprache anfangen will, wusste ich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht. Mein Antrieb war vielmehr, genau das herausfinden zu wollen. Dafür lieferte der Workshop eine gute Grundlage.
„Leichte Sprache“ jetzt auch im Blog
Meine Begeisterung für das Thema und meine neuen Erkenntnisse fanden dann auch sehr schnell Einzug in mein Blog, in dem es nun eine eigene Kategorie „Leichte Sprache“ gibt. Kurz nach dem Workshop veröffentlichte ich dort den Beitrag „7 Dinge, die Sie über Leichte Sprache wissen sollten“. Ich hatte nämlich den Eindruck, dass viele Menschen, darunter auch viele Juristen, falsche Vorstellungen von Leichter Sprache haben, die ich gerne ausräumen wollte. Zur Bebilderung nutzte ich die Sketchnote (siehe unten), die ich schon vor dem Workshop erstellt hatte. Unglaublich, aber wahr: Der Artikel wurde allein am Tag seiner Veröffentlichung 618-mal aufgerufen. Ich war überwältigt und freute mich riesig, dass das vermeintliche Nischenthema offenbar doch mehr Menschen umtreibt als gedacht.
Anfang Mai folgte dann auch gleich der nächste Artikel zum Thema. Diesmal ging es um die Übersetzung juristischer Texte in Leichte Sprache. Zwei Mitarbeiterinnen der Forschungsstelle (Isabel Rink und Marieke Einheuser) hatten mir dazu im Rahmen eines Interviews Rede und Antwort gestanden. Toll war, dass die Forschungsstelle den Hinweis auf das Interview in ihrem nächsten Newsletter gleich dazu nutzte, auch meine Arbeit vorzustellen (zum Newsletter-Beitrag der Forschungsstelle). Ich glaube fast, sie ahnte, wohin die Reise bei mir geht, noch bevor ich es selbst wusste.
Juristische Schaubilder in Leichter Sprache
Bei mir platzte der Knoten erst kurz nach der Veröffentlichung des Newsletters der Forschungsstelle im Juni: Ohne jeglichen Anlass erstellte ich eines schönen Tages zwei Schaubilder zur Vorsorgevollmacht in Leichter Sprache und später auch noch eines zur Bundestagswahl. Man sagt sich ja selbst oft, man müsste dies oder jenes „einfach mal machen“. Gerade das kostet jedoch manchmal unglaublich viel Überwindung oder man ist innerlich blockiert und schleicht deshalb unnötig lange um eine Sache herum, bevor man sich näher mit ihr beschäftigt. Umso mehr fällt es dann auf, wenn der Knoten platzt und man es doch mal versucht. Genau so ging es mir mit den Schaubildern in Leichter Sprache. Ich hatte mich früher zwar schon mal an einem versucht (ebenfalls zur Vorsorgevollmacht), damals hielt ich es jedoch noch für einen Zufall, dass die Umsetzung trotz der umfangreichen Textanteile, die sich im Leichte-Sprache-Kontext nicht vermeiden lassen, halbwegs geglückt war. Ich wusste auch noch nicht viel über Leichte Sprache. Vielleicht spielte das ebenfalls eine Rolle. Diesmal fühlte es sich jedenfalls komplett anders an:
Trotz vieler Fragen und Probleme bei der Umsetzung war ich auf einmal sicher, dass es einen Weg gibt, meine Art und Weise der Rechtsvisualisierung auch für die Zielgruppen der Leichten Sprache nutzbar zu machen. Diese Erkenntnis war mit Abstand die wichtigste, die mir das Jahr 2017 beschert hat.
Festgehalten habe ich meine damaligen Überlegungen und Fragen im Beitrag „Juristische Schaubilder in Leichter Sprache“. Nachfolgend die Erstfassung der Schaubilder, die ich in dem Beitrag beispielhaft vorstelle. Das erste hat im Original das Format DIN A3, die anderen beiden passen auf ein DIN-A4-Blatt. Inzwischen würde ich ein paar Dinge anders machen. Besser geht’s ja immer. Auf Perfektion kam es zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht an, auch wenn ich mich selbst nur schwer davon freimachen kann. Entscheidend war vielmehr, überhaupt anzufangen. Das hatte ich hiermit geschafft.
In den folgenden Monaten entstand noch ein Schaubild zur Erbfolge, ich feilte weiter an den Schaubildern zur Vorsorgevollmacht (mittlerweile gibt es von einem mindestens fünf verschiedene Fassungen) und hatte das Glück, im Auftrag eines Leichte-Sprache-Büros der Lebenshilfe weitere Schaubilder zum Strafverfahren erstellen zu dürfen.
Ganz viel konstruktives Feedback bekam ich Anfang Oktober in Hildesheim zu meinen Schaubildern. Dort widmete sich ein Workshop diesmal aktuellen Leichte-Sprache-Projekten der Teilnehmer und ich hatte erstmals die Möglichkeit, meine Schaubilder „unters Volk“ zu bringen. Das alles klappte dank fantastischer Workshop-Leitung und großartiger Teilnehmer, obwohl ich wegen des Sturms Xavier, der ausgerechnet an diesem Tag den Bahnverkehr lahmlegte, vorzeitig abreisen musste. Auch Isabel Rink von der Forschungsstelle und die Berliner Stammtischrunde haben mir mit ihren Rückmeldungen sehr weitergeholfen.
Jede Menge Vorträge, nette Menschen und viel Austausch
Konnte es noch besser kommen? Es konnte. Im Herbst folgten nämlich noch zwei tolle Veranstaltungen. Im Oktober fand im Institut für Deutsche Sprache in Mannheim ein Kolloquium zum Thema „Leichte Sprache – verständliche Sprache“ statt und Anfang November in Hildesheim die Tagung „Leichte Sprache in Politik und Medien: Die Situation in Deutschland und Finnland“. Neben spannenden Vorträgen auf beiden Veranstaltungen hat es viel Spaß gemacht, so viele aufgeschlossene und engagierte Menschen zu treffen, die das Thema Leichte Sprache ebenfalls beschäftigt. Teils gehen ihre Meinungen weit auseinander und doch wollen alle im Ergebnis dasselbe: die barrierefreie Kommunikation voranbringen. Jetzt kennen sich auch endlich noch mehr Mitglieder der Leichte-Sprache-Gruppe auf Xing, was wiederum dazu geführt hat, dass dort mehr Austausch stattfindet als zuvor.
Sketchnote zum neuen § 11 BGG
Zum Jahreswechsel tritt eine Neufassung des § 11 BGG in Kraft, in dem es ebenfalls um Leichte Sprache geht. Also habe ich auch dazu noch einen Blogbeitrag geschrieben, vor allem aber eine Sketchnote erstellt. Leider musste ich feststellen, dass die Vorschrift alles andere als klar ist. Auch kann ich mir bislang nicht wirklich vorstellen, wie ihre praktische Umsetzung aussehen soll. Das ist sehr unbefriedigend. Man kann nur hoffen, dass sich dieser Zustand bald ändert, damit die Berechtigten entsprechend informiert werden können.
Ausblick ins Jahr 2018
Die Leichte Sprache wird auch im nächsten Jahr ein sehr wichtiges Thema für mich bleiben.
Der nächste Stammtisch findet bereits am 2. Januar statt. Wer noch dazukommen mag, schreibe mir einfach eine E-Mail: kontakt@npridik.de. Neue Gesichter sind in unserer kleinen Runde immer herzlich willkommen. Wir treffen uns jeweils am ersten Dienstag im Monat um 16 Uhr in einem Café nicht weit vom Bahnhof Zoo.
Außerdem werden mich die Schaubilder in Leichter Sprache weiter beschäftigen und ich hoffe darauf, sie zunehmend optimieren zu können. Wie gerufen kommt da ein Workshop an der Hochschule Merseburg zum Thema „Über Bild und Type mit Menschen mit Lernschwierigkeiten richtig kommunizieren“, der mir sicher neue Erkenntnisse bringen wird. Er findet im April statt.
Ein weiteres wichtiges Ereignis wird im Herbst der Erscheinungstermin eines Buches sein, zu dem ich neben diversen anderen Autoren beitragen darf. In meinem Beitrag wird es um die Visualisierung rechtlicher Inhalte in Leichte-Sprache-Texten gehen. Dieses Projekt hat mich in den letzten Wochen beschäftigt und war einer der Hauptgründe für die zahlreichen Überarbeitungen der Schaubilder, denn selbstverständlich will ich in dem Beitrag auch Beispiele zeigen.
Weitere konkrete Pläne in Sachen „Leichte Sprache“ gibt es bislang nicht, aber das wird sich im Laufe des Jahres sicher noch ändern. Besonders gespannt bin ich darauf, ob und inwiefern sich der neue § 11 BGG auswirken wird. Werden die Behörden des Bundes tatsächlich auf Anfrage von Menschen mit geistiger Behinderung Bescheide in Leichter Sprache erläutern? Werden sich die Mitarbeiter(innen) der Verwaltungen verstärkt mit der Verständlichkeit von Bescheiden und Informationsmaterialien beschäftigen? Auf jeden Fall wird sich das Thema weiterentwickeln und für immer mehr Menschen eine Rolle spielen. Ich persönlich hoffe ja, dass darunter auch einige sind, die sich – mit mir gemeinsam – speziell der verständlichen Kommunikation von Recht annehmen wollen.
Nicola Pridik
Ich bin Juristin und Inhaberin des Büros für klare Rechtskommunikation in Berlin. Mit meinen Dienstleistungen unterstütze ich Sie dabei, Rechtsinformationen verständlich und anschaulich für Ihre Zielgruppe(n) aufzubereiten. Dabei steht die Visualisierung von Recht im Mittelpunkt. kontakt@npridik.de
7 Dinge, die Sie über Leichte Sprache wissen sollten
Visualisierung rechtlicher Inhalte in Leichte-Sprache-Texten
Rechtsvorschriften als Sketchnote: § 11 BGG (Verständlichkeit und Leichte Sprache)