Sie sind hier: npridik.de / Blog / Schaubild zur Erbfolge in Leichter Sprache

Schaubild zur Erbfolge in Leichter Sprache

Wie erklärt man Menschen mit Leseeinschränkungen auf einer DIN-A4-Seite, wer sie beerbt, wenn sie sterben? Das wollte ich wissen und habe mich an einem Schaubild zur Erbfolge in Leichter Sprache versucht. Das Ergebnis möchte ich Ihnen in diesem Beitrag vorstellen und dabei auch auf die Probleme eingehen, die mich bei der Erstellung beschäftigt haben. Wichtig war mir vor allem die Botschaft an die Adressat*innen, dass sie frühzeitig ein Testament oder einen Erbvertrag machen sollten, wenn sie die Erbfolge selbst bestimmen möchten. Schließlich wissen wir alle nicht, wann wir sterben. Ohne letztwillige Verfügung tritt im Todesfall die gesetzliche Erbfolge ein, die zwar den eigenen Wünschen entsprechen kann, aber nicht muss.

Für alle nicht juristischen Leser*innen zunächst ergänzend zur zentralen Botschaft ein paar Sätze zur Erbfolge, damit Sie um den rechtlichen Inhalt wissen, den es ins Schaubild zu transportieren galt.

Der Inhalt des Schaubildes

Was mit dem Vermögen eines Menschen im Todesfall geschieht, ist Gegenstand des Erbrechts, das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt ist. Eine zentrale Frage ist dabei die nach der Erbfolge: Wer genau beerbt die verstorbene Person, erhält also ihr Vermögen? Zu unterscheiden sind die gewillkürte und die gesetzliche Erbfolge. Gewillkürt heißt: Der Erblasser, also die Person, um deren Vermögen es geht, bestimmt selbst zu Lebzeiten, wer sein Vermögen bekommen sollen, indem er eine Verfügung von Todes wegen errichtet. Gemeint ist damit, dass er ein Testament macht oder einen Erbvertrag schließt. Tut er das nicht oder sind Testament oder Erbvertrag unwirksam, ergibt sich die Erbfolge unmittelbar aus dem Gesetz. Das nennt man dann gesetzliche Erbfolge. Die gewillkürte Erbfolge geht der gesetzlichen immer vor.

Der Standardfall einer Verfügung von Todes wegen ist das Testament. Das notarielle Testament wird beim Notar gemacht, das privatschriftliche ohne Notar. Beim privatschriftlichen Testament ist wichtig, dass es nur dann wirksam ist, wenn es komplett mit der Hand geschrieben wurde. Man darf also keinen Computer benutzen. Abgesehen von Besonderheiten beim gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten kann ein Testament jederzeit widerrufen und geändert werden. Das ist ein wesentlicher Unterschied zum Erbvertrag. In diesem verpflichtet sich der Erblasser gegenüber seinem Vertragspartner z. B. zu einer Erbeinsetzung, um von dem Vertragspartner eine Gegenleistung fordern zu können. So kann beispielsweise ein Unternehmer seiner Tochter versprechen, dass diese später den Betrieb erben wird, und sie im Gegenzug zu Lebzeiten zur Mitarbeit im Betrieb verpflichten. Oder der Erblasser verspricht seinem Vertragspartner die Erbeinsetzung für den Fall, dass dieser ihn im Alter pflegt. Mit einem Erbvertrag legt der Erblasser sich für die Zukunft auf eine oder mehrere Verfügungen von Todes wegen fest. (Verfügung von Todes wegen meint hier die einzelne Regelung innerhalb eines Erbvertrages.) Die Folge ist, dass er später keine anderen Verfügungen von Todes wegen mehr treffen kann, die den Vertragspartner in seinen Rechten beeinträchtigen.

Wenn die gesetzliche Erbfolge eintritt, erben in erster Linie die nächsten noch lebenden Verwandten des Erblassers. Wenn dieser verheiratet war, erbt außerdem sein Ehegatte. Die Verwandten werden im Erbrecht in Ordnungen eingeteilt. Die Erben erster Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers (seine Kinder, Enkel etc.), die Erben zweiter Ordnung die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (die Geschwister, Neffen und Nichten etc. des Erblassers) und die Erben dritter Ordnung die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Es erben jeweils die Verwandten der niedrigsten vorhandenen Ordnung. Die Eltern des Erblassers erben also z. B. nur dann, wenn dieser keine Kinder hat. Innerhalb der ersten Ordnung erben die Verwandten nach Stämmen (jedes Kind und dessen Abkömmlinge), in der zweiten und dritten Ordnung nach Linien und Stämmen (jeder [Groß-]Elternteil und dessen Abkömmlinge, die jeweils Stämme bilden). Innerhalb einer Linie und eines Stammes schließen die näheren Verwandten die entfernteren von der Erbfolge aus. Leben die Eltern des kinderlosen Erblassers noch, sind sie demnach die einzigen erbenden Verwandten, auch wenn der Erblasser noch Geschwister hat.

Das Gesetz legt nicht nur fest, wer erbt, sondern auch, wie hoch die Anteile der einzelnen Erben an der Erbschaft sind.

Die Regeln der Leichten Sprache

Falls Sie mit Leichter Sprache noch nicht viel verbinden, hier ein paar Worte dazu.

Leichte Sprache ist ein Sprachkonzept, das die deutsche Sprache maximal vereinfacht, damit auch Menschen, die aufgrund einer Leseeinschränkung keinen Zugang zur Standardsprache haben, Texte lesen und verstehen können. Die sprachliche Vereinfachung geht mit einer optischen Darbietung der Texte einher, die das Lesen erleichtert. Zielgruppen der Leichten Sprache sind insbesondere Menschen mit geistiger Behinderung, Lernschwierigkeiten, Aphasien oder Demenzerkrankungen sowie funktionale Analphabeten und Menschen mit geringen Deutschkenntnissen.

Hier einige Regeln, die es zu beachten gilt:

  • nur Hauptsätze verwenden, keine Nebensätze
  • möglichst nur eine Aussage pro Satz
  • Genitiv vermeiden
  • Imperfekt vermeiden (außer bei Modalverben)
  • Futur vermeiden
  • Konjunktiv vermeiden
  • Passiv vermeiden
  • Fach- und Fremdwörter vermeiden oder erklären
  • komplexe Wörter gliedern (Mediopunkt, Bindestrich)
  • gleiche Wörter für gleiche Dinge verwenden
  • Personalpronomen der 3. Person durch das Nomen ersetzen, für das sie stehen
  • Negationen vermeiden oder fett setzen
  • jeder Satz auf eine neue Zeile
  • keine Worttrennung am Zeilenende
  • Schriftgröße 14 pt
  • Text linksbündig
  • Bilder einsetzen, die das Verstehen des Textes unterstützen

Weitere Hintergrundinformationen bietet der Beitrag 7 Dinge, die Sie über Leichte Sprache wissen sollten. Eine Erbrechtsbroschüre in Leichter Sprache können Sie sich von der Website des Niedersächsischen Justizministeriums als PDF-Datei herunterladen. Der Link führt Sie auf die Seite, auf der Sie den Download-Link finden.

Juristische Schaubilder in Leichter Sprache

Seit vielen Jahren visualisiere ich Recht in Form von Schaubildern, um anderen das Verstehen rechtlicher Inhalte zu erleichtern. Schaubilder bieten den Vorteil, dass sie Strukturen sichtbar machen können, die für das Verständnis rechtlicher Inhalte wesentlich sind, während die verbale Sprache diese Strukturen nur linear beschreiben kann. Das Recht besteht zu einem sehr großen Teil aus solchen Strukturen. Man denke nur an Verfahrensabläufe, Systematiken, Zeitabfolgen, Vergleiche, Rechtsmodelle oder Personenkonstellationen. Die Möglichkeiten der Visualisierung sind im Recht deshalb unerschöpflich.

Seit ich mich intensiver mit Leichter Sprache befasse, habe ich die Idee, dass juristische Schaubilder auch in diesem Kontext den Erwerb juristischer Kenntnisse unterstützen können. Vielleicht ist nicht jeder einzelne Adressat jeder Zielgruppe in der Lage, sich überhaupt mit einer abstrakten und komplexen Materie wie der des Rechts zu befassen. Wer aber juristische Texte in Leichter Sprache versteht, wird – davon bin ich überzeugt – auch von juristischen Schaubildern profitieren, zumal diese sich auch sehr gut für den Einsatz im Unterricht und in Beratungen eignen, wo die Informationsvermittlung unter Anleitung stattfindet.

Die Frage ist nur: Wie übersetze ich juristische Inhalte in ein Schaubild in Leichter Sprache? Welche Probleme bringen die stark begrenzten sprachlichen Möglichkeiten mit sich? Und welche Lösungen lassen sich finden? Das Schaubild zur Erbfolge ist ein weiterer Versuch, dies anhand eines Beispiels näher zu erforschen.

Unabhängig von diesem Beispiel lässt sich Folgendes festhalten:

Juristische Schaubilder stehen in der Regel nicht für sich, sondern ergänzen Texte oder Vorträge, also Ausführungen in verbaler Sprache. Das gilt ganz besonders im Leichte-Sprache-Kontext, da die Inhalte auch bei starker sprachlicher Vereinfachung komplex und schwierig bleiben und den Adressaten einiges abverlangen. Schaubilder sind also gerade hier immer nur ein ergänzendes Angebot, dessen Nutzen nicht nur von der Qualität des einzelnen Schaubildes, sondern auch von den kognitiven Fähigkeiten der einzelnen Adressaten abhängt.

Das Schaubild zur Erbfolge

Hier zunächst die Endfassung des Schaubildes. Anschließend gehe ich dann noch auf die Probleme bei der Erstellung ein.

Schaubild zur Erbfolge in Leichter Sprache

Probleme und Lösungen

Wie Sie sehen werden, beschränkt die Leichte Sprache nicht nur die sprachlichen Möglichkeiten, sondern wirft außerdem konzeptionelle Fragen auf. Derartige Probleme kenne ich zwar auch von anderen Schaubildern, im Leichte-Sprache-Kontext verschärfen sie sich aber noch, weil jeder gedankliche Schritt viel zusätzlichen Text bedeutet und schlichtweg der Platz fehlt, um auf alles in der gewünschten Weise eingehen zu können.

Zeitliche Verortung des Inhalts

Inhaltlich galt es zunächst das Problem zu lösen, dass ich über etwas informiere, was erst mit dem Tod eintritt, nämlich die Erbfolge, dem Leser aber ans Herzen legen will, sich schon zu Lebzeiten mit dem Thema Erbfolge zu befassen, damit er mithilfe eines Testaments oder Erbvertrags Einfluss darauf nehmen kann, wer ihn beerbt. Verorte ich das Schaubild inhaltlich in dem Zeitpunkt, in dem der Tod eingetreten ist, kann ich nur fragen, ob der Leser in der Vergangenheit ein Testament oder einen Erbvertrag gemacht hat, um anschließend etwas über die Erbfolge sagen zu können. Hat er eines von beidem gemacht, wäre das Schaubild allerdings überflüssig, denn sein Sinn besteht darin, dem Leser zu vermitteln, dass er mit Testament und Erbvertrag die Erbfolge selbst bestimmen kann. Dem unwissenden Leser ohne Testament und Erbvertrag könnte ich wiederum nur sagen, dass er eine Verfügung von Todes wegen hätte errichten können, was nicht nur in der Sache wenig hilfreich wäre, sondern in Leichter Sprache mangels Konjunktiv außerdem nicht möglich. Schließlich ist ein Schaubild wenig einladend, das mit dem Text beginnt:

Schaubild zur Erbfolge in Leichter Sprache - Variante Einstieg

Aus diesen Gründen hatte ich – anknüpfend an die Überschrift „Wer bekommt nach Ihrem Tod Ihr Geld und Ihre Sachen?“ – ursprünglich mit der Frage nach der selbstbestimmten Regelung der Erbfolge begonnen:

Schaubild zur Erbfolge in Leichter Sprache - Variante Einstieg

Ungünstig war an ihr, dass es wahrscheinlich niemanden gibt, der die Frage mit „nein“ beantworten wird und sie deshalb etwas lebensfremd wirkt. Da sie mir aber ermöglichte, dem Leser zu sagen, welche Möglichkeiten er im Hier und Jetzt hat, wenn er seine Erben selbst bestimmen will, und ihn auf die Existenz gesetzlicher Regelungen hinzuweisen für den Fall, dass er keinen Einfluss auf die Erbfolge nimmt, nahm ich die Ungereimtheit zunächst in Kauf. Vielleicht wäre ich auch dabei geblieben, wenn da nicht das Problem mit der Subsidiarität der gesetzlichen Erbfolge gewesen wäre. Dazu sogleich.

Wie die Subsidiarität der gesetzlichen Erbfolge vermitteln?

Wie schon erwähnt, geht die gewillkürte Erbfolge der gesetzlichen immer vor. Oder anders gesagt: Die gesetzliche Erbfolge tritt nur dann ein, wenn es weder ein Testament noch einen Erbvertrag gibt oder diese unwirksam sind. (Die Frage einer möglichen Unwirksamkeit hätte den Rahmen allerdings gesprengt, von daher spreche ich sie im Schaubild nicht an.) Wie sage ich nun dem Leser mit den begrenzten Möglichkeiten der Leichten Sprache, dass er gut daran tut, sein Testament oder seinen Erbvertrag möglichst frühzeitig zu machen, damit er am Ende nicht ohne beides verstirbt und die gesetzliche Erbfolge eintritt, die vielleicht nicht seinen Wünschen entspricht? Dabei war die sprachliche Hürde nicht das einzige Problem. Hinzu kam, dass ich erneut auf die gesetzliche Erbfolge zu sprechen kommen musste, die ich zuvor über die Verneinung der Frage: „Wollen Sie selbst entscheiden: Wer bekommt Ihr Geld und Ihre Sachen?“ eingeführt hatte. Ich musste also gewissermaßen den Kreis zur gesetzlichen Erbfolge schließen. Hier bekam ich jedoch zwangsläufig ein Problem mit der Leserichtung, denn ich konnte nur von unten an die Ausführungen zur gesetzlichen Erbfolge andocken. Der ersten Enwurfsfassung unten können Sie entnehmen, was ich meine: Mit dem dunkelblauen Kasten unten rechts habe ich zwar den Bogen geschlagen, der Leser muss nun aber verstehen, dass er, um mehr über die gesetzlichen Erbfolge zu erfahren, die blaue Spalte von vorne lesen muss. Solche Hürden in Bezug auf die Leserichtung sollte man besonders im Leichte-Sprache-Kontext vermeiden, weil sie die Aufnahme des ohnehin schon schwierigen Inhalts zusätzlich erschweren.

Schaubild zur Erbfolge in Leichter Sprache - Entwurfsfassung

Damit stand fest: So funktioniert es nicht. Ich muss einen anderen Aufbau wählen, der gewillkürte und gesetzliche Erbfolge nicht nebeneinanderstellt, sondern nacheinander auf sie eingeht, und zwar in der Reihenfolge, die der gesetzlichen Systematik entspricht: erst die gewillkürte Erbfolge, dann die gesetzliche (zur Reihenfolge gleich mehr). Nur mit welcher Ausgangsfrage sollte ich nun starten? Ich brauchte eine Frage, die mich nur zu den beiden Möglichkeiten der gewillkürten Erbfolge führt. Noch gedanklich in der ursprünglichen Frage verfangen, war ich bei:

Schaubild zur Erbfolge in Leichter Sprache - Variante Einstieg

Damit schloss ich zwar die Möglichkeit einer Verneinung aus, unterstellte dem Leser aber auch etwas, was vielleicht gar nicht zutrifft. Doch welche Alternative gab es? Am Ende fand ich dann doch noch die Lösung:

Schaubild zur Erbfolge in Leichter Sprache - Einstieg

So steht nun die reine Information über die Möglichkeiten der gewillkürten Erbfolge im Vordergrund. Zugleich berücksichtigt der Aufbau des Schaubildes, wie bereits erwähnt, die Subsidiarität der gesetzlichen Erbfolge. Und ich habe mit dem mittleren Kasten meine zentrale Botschaft untergebracht:

Schaubild zur Erbfolge in Leichter Sprache - zentrale Botschaft

Ist die gesetzliche Erbfolge schlechter als die gewillkürte?

Die erste Entwurfsfassung des Schaubildes brachte noch ein weiteres, zwar weniger offensichtliches, aber dennoch vorhandendes Problem mit sich. Der Leser konnte nämlich den Eindruck gewinnen, dass die gesetzliche Erbfolge schlechter ist als die gewillkürte und deshalb vermieden werden sollte. Zustande kam dieser Eindruck hauptsächlich durch den Umstand, dass das Schaubild mit dem dunkelblauen Kasten in der rechten unteren Ecke endet und sich keine Erklärung mehr zur gesetzlichen Erbfolge anschließt, die bereits weiter oben Thema war. So hat man das Gefühl, in einer Sackgasse angekommen zu sein, wenn man sich nicht kümmert. Das muss jedoch nicht zwingend so sein. Schließlich hat der Gesetzgeber die Erbfolge so geregelt, wie sie mutmaßlich dem Willen der meisten Erblasser entspricht: Es erben die nächsten noch lebenden Verwandten und der Ehegatte. Trotzdem sind die Regelungen natürlich insofern unsicher, als niemand weiß, welche Verwandten im Zeitpunkt des eigenen Todes noch leben werden und wie es dann um die eigene Ehe bestellt ist. Von daher halte ich es für legitim, den Adressat*innen zu einem Testament oder Erbvertrag zu raten und insofern eine Wertung zuzulassen. Trotzdem bin ich ganz froh darüber, dass diese in der endgültigen Fassung des Schaubildes nicht mehr ganz so sehr durchschlägt. Der Text ist hier zwar derselbe wie im blauen Kasten der Entwurfsfassung:

Schaubild zur Erbfolge in Leichter Sprache - Ausschnitt Übergang zur gesetzlichen Erbfolge

Der Unterschied ist jedoch, dass sich nun die Erläuterung der gesetzlichen Erbfolge anschließt. Dadurch stehen die Fakten stärker im Vordergrund und es gibt keinen „Sackgasseneffekt“.

Dass die gewillkürte Erbfolge vor der gesetzlichen thematisiert wird, ist dagegen für sich genommen nicht mit einer Wertung verknüpft, sondern entspricht vielmehr der gesetzlichen Systematik. Tritt ein Erbfall ein, wird jeder Jurist zuerst fragen, ob es ein Testament oder einen Erbvertrag gibt, bevor er sich näher mit der gesetzlichen Erbfolge befasst. Der Grund dafür ist die Subsidiarität der gesetzlichen Erbfolge. Der umgekehrte Aufbau (erst gesetzliche Erbfolge, dann gewillkürte) wäre zudem aus mindestens zwei Gründen ungünstig. Erstens würde das Schaubild den Leser dann wieder als erstes mit seinem Tod konfrontieren („Sie sterben.“). Vor allem aber brächte der Folgesatz („Und Sie haben kein Testament und keinen Erbvertrag gemacht.“) das Problem mit sich, dass ich Testament und Erbvertrag innerhalb der gesetzlichen Erbfolge erklären müsste, denn Definitionen sollten dort erfolgen, wo unbekannte Wörter als erstes auftauchen. Es gäbe also ein neues Aufbauproblem. Weglassen des Satzes käme auch nicht infrage, denn die gesetzliche Erbfolge tritt ja tatsächlich nur dann ein, wenn weder ein Testament noch ein Erbvertrag vorliegt.

Zwischen Kompromiss und Perfektion

Das Schaubild zur Erbfolge ist ein gutes Beispiel dafür, dass die rundum perfekte Lösung der Rechtsvisualisierung im Leichte-Sprache-Kontext wahrscheinlich nicht möglich ist. Sobald man an einer Stelle etwas zum Besseren verändert, muss man an anderer Stelle Abstriche machen. So ist der Aufbau des Schaubildes in seiner Endfassung nun zwar inhaltlich treffender und es gibt keine Probleme mehr mit der Leserichtung, dafür hat nach meinem Empfinden die Optik gelitten. Breite Textkästen sind einfach nicht schön. Zudem haben mir die breiten Spalten Platz geraubt, den ich dringend gebraucht hätte. So musste ich die Schrift im Schaubild insgesamt um 0,5 pt gegenüber der Entwurfsfassung verkleinern und bei der gesetzlichen Erbfolge den Satz „Im Gesetz steht auch: Wer bekommt wie viel?“ streichen. Die dunklen farbigen Kästen, die zur optischen Strukturierung beitragen, waren in der Endfassung wegen der Piktogramme nicht möglich. Da der Platz knapp war und die Spalten sehr breit sind, war es keine Option, die Piktogramme über den dazugehörigen Kästen zu platzieren, so wie in der Entwurfsfassung. Folglich musste ich sie in die Kästen integrieren. Bei dunklen Kästen wären sie aber nur schlecht zu erkennen gewesen, daher die hellere Farbe.

Hinzu kommen die Kompromisse in Bezug auf die Leichte-Sprache-Regeln, die ich zuweilen aus Platz- oder gestalterischen Gründen nicht einhalte. Das betrifft z. B. die Schriftgröße, den linksbündigen Text und die Vorgabe, dass jeder Satz in einer neuen Zeile beginnen soll.

Noch komplizierter wird es, wenn man die zum Teil sehr unterschiedlichen Bedürfnisse der Zielgruppen Leichter Sprache mit in die Gestaltung des Schaubildes einbezieht, denn was dem einen hilft, kann für den anderen schnell zu einer Hürde werden. Trotz allem strebe ich hoch motiviert weiter nach optimalen Lösungen und freue mich nach wie vor über jeden Hinweis und Erfahrungswert von Ihnen, der mir dabei hilft, diesen Lösungen ein kleines Stück näher zu kommen.