Was unterscheidet das Strafbefehlsverfahren vom regulären Strafverfahren? Und was eine unechte von einer echten Urkunde? Wieso wird zwischen Vergehen und Verbrechen differenziert? Und was ist bei der beschränkten Räumungsvollstreckung anders als bei der klassischen? Wer derartige Fragen stellt, will verstehen, was ähnliche Rechtsbegriffe, Regelungen oder Verfahren voneinander unterscheidet und was ihnen gemeinsam ist. Umso wichtiger ist es, dass die Antwort anschaulich und einprägsam ausfällt. Vergleichende Schaubilder können dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Sechs Beispiele möchte ich Ihnen nachfolgend vorstellen.
Vergleichende juristische Schaubilder lenken den Blick auf die Unterschiede, aber auch auf die Gemeinsamkeiten ähnlicher Rechtsbegriffe, Regelungen, Verfahren, Strukturen oder Rechtsmodelle und helfen so, rechtliche Regeln und Informationen besser zu verstehen und sie sich einzuprägen.
Anhand der Beispiele in diesem Beitrag will ich Ihnen zeigen, wie solche Schaubilder aussehen können und darlegen, inwiefern sie dem Betrachter nützen. Vielleicht bekommen Sie ja Lust, Inhalte aus Ihrer juristischen Praxis ebenfalls in dieser oder ähnlicher Form zu visualisieren. Das würde mich freuen.
Beispiel 1: Echte und unechte Urkunden
Für die Visualisierung von Vergleichen bieten sich in der Regel einfache Tabellen an, denn hier können die zu vergleichenden Begriffe, Verfahren etc. nebeneinander angeordnet werden, sodass man die Unterschiede leicht wahrnehmen kann. Lösen Sie sich dabei von der Vorstellung, dass die Tabelle ein einziges Objekt sein muss. Sie können auch zwei (oder mehr) Spalten in Gestalt einfacher Kästen lose nebeneinander platzieren und zudem mit den Zeilen etwas kreativer umgehen. Mein erstes Beispiel zeigt, was ich meine: Hier haben wir eine Tabelle mit zwei Spalten und drei Zeilen, ohne dass sich der Schaubildtyp Tabelle sofort aufdrängt. Das liegt daran, dass die Spalten sich nicht berühren und die Zeilen sehr unterschiedlich gestaltet sind. Insbesondere die Bildzeile bricht mit der typischen Tabellenoptik. Die Spalten müssen bei dieser Anordnung der Kästen dagegen äußerlich gleich gestaltet sein, damit die unterschiedlichen Inhalte ins Auge springen und wahrnehmbar ist, dass ein Vergleich visualisiert wird.
Es mag im ersten Moment verwundern, aber ich habe das Beispiel auch deshalb für diesen Beitrag ausgewählt, weil es sehr unspektakulär aussieht. Manchmal sind es nämlich gerade die ganz einfachen Vergleiche, die unverzichtbares Basiswissen vermitteln. Indem Sie einen solchen Vergleich visualisieren, ihm Platz in einer Publikation einräumen oder ihm eine Folie widmen, transportieren Sie genau diese Botschaft: Der Inhalt ist wichtig, auch wenn man es ihm auf den ersten Blick nicht ansieht! Die Visualisierung zielt hier nicht darauf, etwas Kompliziertes anschaulich zu vermitteln. Es geht vielmehr darum, auf die Unterscheidung als solche aufmerksam zu machen und sie einprägsam darzustellen.
Bei dem Beispiel handelt es sich um eine Vorlesungsfolie. Sie stammt aus einer Foliensammlung zum Strafrecht, die ich für eine Professorin an der Ruhr-Universität Bochum erstellt habe.
Beispiel 2: Kostentragung für Sachverständige nach § 80 Abs. 3 BetrVG
Das zweite Beispiel stammt aus einem Online-Seminar für Betriebsräte. Hier werden zwei Fallkonstellationen miteinander verglichen. Derartige „konditionale Vergleiche“ (Wenn A vorliegt, dann gilt Folge X, und wenn B vorliegt, dann gilt Folge Y) kommen im Recht häufig vor. Haben Sie eine Tabelle vor sich, deren Zellen teilweise durch Pfeile verbunden sind, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass es sich um einen „konditionalen Vergleich“ handelt. Dessen Visualisierung macht den Betrachter nicht nur darauf aufmerksam, dass es unterschiedliche Antworten auf eine Frage geben kann, sondern lenkt seinen Blick außerdem auf die Kriterien, die darüber entscheiden, welche Antwort zutrifft. In meinem Beispiel ist dieses Kriterium die Zustimmung des Arbeitgebers zur Beauftragung eines Sachverständigen. Wer die Kosten für den Sachverständigen tragen muss, ist davon abhängig, ob die Zustimmung vorliegt oder nicht.
Beispiel 3: Verbrechen und Vergehen
Auch bei einem einfachen Vergleich kann die Tabelle komplexer werden kann. Wäre es in diesem Beispiel nur um die Unterscheidung von Verbrechen und Vergehen gegangen, hätte ich eine Darstellung wie in Beispiel 1 wählen können. Ich wollte jedoch zusätzlich veranschaulichen, welche Folgen mit der Unterscheidung verknüpft sind. Die Betrachter (in diesem Fall Jurastudierende) können so nämlich die Relevanz des Vergleichs besser einschätzen. Außerdem wird ihnen erleichtert, Wissen aus unterschiedlichen Zusammenhängen miteinander zu verknüpfen. Sinnvoll ist das deshalb, weil es sich positiv auf ihren Lernprozess auswirkt.
Da es sich um eine Vorlesungsfolie handelt, die mündlich kommentiert wird, habe ich das aufgeschlagene Gesetzbuch in der Übersicht nicht näher erklärt. Es steht für die Information, dass versuchte Vergehen nur dann strafbar sind, wenn dies ausdrücklich im Gesetz geregelt ist.
Beispiel 4: Reguläres Strafverfahren und Strafbefehlsverfahren
Hier haben wir wieder eine Tabelle mit zwei Spalten. Anders als bei den Beispielen 1 und 2 werden jedoch zwei Verfahren miteinander verglichen. Es lag nahe, die Stationen der Verfahren untereinander anzuordnen und mit einem Pfeil deutlich zu machen, dass es sich um einen Ablauf handelt. So kann der Betrachter gut sehen, dass beide Verfahren mit einem Anfangsverdacht beginnen und in das Vollstreckungsverfahren münden. Dagegen unterscheiden sie sich in Bezug auf die Anzahl der Verfahrensstationen. Außerdem fällt durch den orangen Pfeil sofort auf, dass das Strafbefehlsverfahren in das reguläre Verfahren überführt werden kann. Details vermitteln die im Schaubild platzierten Texte.
Das Schaubild habe ich für Mandanteninformationen eines Strafverteidigers erstellt.
Beispiel 5: Klassische und beschränkte Räumungsvollstreckung
Auch in diesem Beispiel kommt ein Verfahrensablauf vor. Anders als bei dem Schaubild oben werden aber nicht zwei Verfahren miteinander verglichen, sondern die Regeln für ein und dasselbe Verfahren, das jeweils unter verschiedenen Vorzeichen durchgeführt wird.
Und darum geht es: Durch das Mietrechtsänderungsgesetz vom 11.3.2013 wurde der § 885a ZPO neu ins Gesetz eingefügt. Für Juristen, Hausverwaltungen, Vermieter und Mieter bedeutete das: Es gab jetzt neben der klassischen auch noch eine beschränkte Räumungsvollstreckung. Doch in welchen Punkten unterscheiden sich beide Vollstreckungsvarianten? Dies sollte ich im Auftrag des IWW-Instituts in Form eines Schaubildes den Leserinnen und Lesern des Informationsdienstes „Mietrecht kompakt“ vermitteln.
In der mittleren Spalte kann der Betrachter nachvollziehen, wie eine Räumungsvollstreckung abläuft. Rechts und links davon werden die Besonderheiten der klassischen und beschränkten Räumungsvollstreckung benannt. Diese Anordnung hat den Vorteil, dass auf einen Blick nachvollziehbar ist, an welchen Punkten des Verfahrens sich beide Vollstreckungsarten unterscheiden. Auch wird deutlich, dass ein wesentlicher Unterschied darin besteht, wer für Sachen des Mieters verantwortlich ist, die nicht Gegenstand der Vollstreckung sind und die der Mieter nicht selbst wegschafft (oranger Kasten in der Mitte unten). Bei der klassischen Räumungsvollstreckung ist der Gerichtsvollzieher hierfür zuständig, bei der beschränkten Räumungsvollstreckung der Vermieter.
Beispiel 6: Zwei-Verträge-Modell und Dreiecksverhältnis im Affiliate-Marketing
Abschließend noch der Vergleich zweier Rechtsmodelle. Von der Tabellenstruktur der Vergleichsanordnung ist hier nicht mehr viel geblieben. Das macht aber nichts, denn bei Rechtsmodellen ist wichtig, dass der Betrachter jeweils nachvollziehen kann, welche Akteure in welchem Verhältnis zueinander stehen. Das lässt sich am besten dadurch visualisieren, dass man die Akteure entsprechend ihrer Beziehungen anordnet und mit Pfeilen verbindet. In einer Publikation genügt es dann, die Modelle so zu platzieren, dass der Blick zwischen ihnen wandern kann. Sie können also z. B. auch untereinander angeordnet werden.
Erstellt habe ich diese Schaubilder für das Buch „Online-Marketing- und Social-Media-Recht“ von Dr. Martin Schirmbacher.
Sie sehen: Vergleichende Schaubilder können durchaus unterschiedlich aussehen und lassen sich sehr individuell auf den konkreten Inhalt zuschneiden. Mit meinen Beispielen sind die Darstellungsvarianten keineswegs ausgeschöpft. Ich möchte Sie mit der Auswahl vielmehr einladen, über Darstellungsmöglichkeiten für Vergleiche nachzudenken, die in Ihrer eigenen juristischen Praxis eine Rolle spielen. Sprechen Sie mich gerne an, wenn Sie bei der Umsetzung Hilfe benötigen.
Nicola Pridik
Ich bin Juristin und Inhaberin des Büros für klare Rechtskommunikation in Berlin. Mit meinen Dienstleistungen unterstütze ich Sie dabei, Rechtsinformationen verständlich und anschaulich für Ihre Zielgruppe(n) aufzubereiten. Dabei steht die Visualisierung von Recht im Mittelpunkt. kontakt@npridik.de
So profitieren Sie in Ihren rechtlichen Beratungen von Schaubildern