Der Beitrag wurde zuletzt im Juni 2023 bearbeitet.
Anfang Oktober 2018 ist bei Frank & Timme das „Handbuch Barrierefreie Kommunikation“ erschienen. Mit 41 Beiträgen aus Wissenschaft und Praxis stellt es den aktuellen Forschungs- bzw. Erkenntnisstand in der Verständlichkeitsforschung und den verschiedenen Bereichen der barrierefreien Kommunikation dar. Auch das Thema Rechtskommunikation kommt dabei zur Sprache. Ich bin mit einem Beitrag zur Visualisierung rechtlicher Inhalte in Leichte-Sprache-Texten vertreten. Nachfolgend möchte ich den Leser*innen des Buches die Schaubilder aus meinem Beitrag in farbiger Fassung zeigen und außerdem ein paar Hintergrundinformationen ergänzen. Alle anderen erfahren anhand der Beispiele, wie es aktuell um meine Idee steht, mithilfe der Rechtsvisualisierung Verständnisbarrieren im Recht so weit abzubauen, dass auch Leichte-Sprache-Leser*innen davon profitieren.
Im Sommer 2017 habe ich mir hier im Blog erstmals in einem längeren Beitrag Gedanken zu der Frage gemacht, inwiefern es möglich ist, juristische Schaubilder in Leichter Sprache zu erstellen (siehe Beitrag Jurististische Schaubilder in Leichter Sprache). Damals lagen gerade die ersten Schaubildbeispiele vor und ich war sehr glücklich über die Erkenntnis, dass Schaubilder in Leichter Sprache überhaupt möglich sind, hatte aber immer noch zahlreiche Fragen. Diese Fragen stehen letztlich immer noch unbeantwortet im Raum. Trotzdem habe ich das Gefühl, mit dem Handbuchbeitrag wieder einen Schritt weitergekommen zu sein. Zum einen zwang er mich dazu, mich nochmal etwas systematischer und in einem wissenschaftlichen Kontext damit auseinanderzusetzen, welche Voraussetzungen ein juristisches Schaubild erfüllen muss, das auch von Leichte-Sprache-Leser*innen verstanden werden soll. Zum anderen ist meine Idee, juristische Schaubilder auch im Leichte-Sprache-Kontext einzusetzen, nun gewissermaßen „amtlich“, denn ein wissenschaftliches Buch ist eben doch etwas anderes als die Veröffentlichung im eigenen Blog.
Maaß, Christiane / Rink, Isabel (Hg.)
Handbuch Barrierefreie Kommunikation
800 Seiten / 68 Euro (E-Book 78 Euro)
Frank & Timme, Berlin 2018
Die ursprüngliche Fassung des Buches steht inzwischen als Open-Access-Datei (PDF) zur Verfügung. Den Downloadlink finden Sie auf der Verlagsseite zum Buch. Dort können Sie auch einen Blick in das Inhaltsverzeichnis werfen. Die Kaufversion des Buches ist etwas aktueller (u. a. wurden Fehler korrigiert).
Schaubild zur Vorsorgevollmacht und rechtlichen Betreuung
Das erste Schaubild in meinem Beitrag soll vermitteln, was eine Vorsorgevollmacht ist und was eine rechtliche Betreuung. Dabei geht es insbesondere darum, auf die Unterschiede aufmerksam zu machen. Außerdem erfährt die betrachtende Person, was eine Betreuungsverfügung ist und in welchem Zusammenhang diese zur rechtlichen Betreuung steht. Das Schaubild begleitet mich nun schon 1,5 Jahre. Immer wieder habe ich es überarbeitet, sodass auch auf meiner Website mittlerweile verschiedene Fassungen zu finden sind. Die aktuellste ist jedenfalls die im Handbuch Barrierefreie Kommunikation:
Unbefriedigend ist nach wie vor in der bildlichen Darstellung, dass der Kasus beim Bevollmächtigen nicht stimmt, wenn man den Text darunter liest („Sie bestimmen Bevollmächtigter“). Außerdem bleibt wie so oft das Problem, wie man ein Schaubild verständlich und trotzdem gendergerecht gestaltet.
Zum Schaubild inspiriert hat mich die Leichte-Sprache-Broschüre zur Vorsorgevollmacht des Niedersächsischen Justizministeriums, die überhaupt keine Bilder enthält. Die Broschüre steht auf der Website des Ministeriums als PDF-Datei zum Download zur Verfügung: zum Pilotprojekt Leichte Sprache (mit Downloadlink). Ich wollte ausprobieren, was visuell trotz der abstrakten Inhalte möglich ist. Zum anderen ist mein Eindruck, dass es entweder Broschüren zur rechtlichen Betreuung ODER zur Vorsorgevollmacht gibt, der direkte Vergleich beider Begriffe aber eher nicht vermittelt wird, obwohl er wesentlich zum Verständnis beiträgt.
Schaubild zur Erbfolge
Zum Gegenstand und zur Entstehung dieses Schaubildes habe ich bereits einen langen Beitrag geschrieben, auf den ich an dieser Stelle verweisen möchte (Schaubild zur Erbfolge in Leichter Sprache).
Schaubild zum Ablauf der Hauptverhandlung im Strafprozess
Das dritte Schaubild vermittelt, wie eine Hauptverhandlung im Strafprozess abläuft, was also vor Gericht passiert. Entstanden ist das Schaubild ursprünglich im Auftrag des Leichte-Sprache-Büros der Lebenshilfe Braunschweig, die es zu Schulungszwecken einsetzen will. Ich habe für diese Publikation nur die Farbe geändert.
Im ersten Entwurf des Schaubildes waren die mittlere und rechte Spalte noch umgekehrt angeordnet. Der Ablauf wurde also mehr oder weniger fachsprachlich beschrieben und jede Station zusätzlich in Leichter Sprache erläutert. Aus der Prüfgruppe erhielt ich dann aber das Feedback, dass es besser sei, den Ablauf selbst in Leichter Sprache zu vermitteln. Daher steht die Leichte-Sprache-Spalte nun in der Mitte. Es stand sogar die Idee im Raum, die Spalte mit den fachlichen Inhalten ganz zu streichen. Letzteres widerstrebte mir allerdings als Juristin. Zudem werden die angesprochenen Leser*innen ja in der Praxis (so sie denn mal in irgendeiner Form in ein Strafverfahren involviert sind) auch mit den Fachbegriffen konfrontiert sein. Außerdem sollte in einem Schulungszusammenhang auch die Möglichkeit bestehen, die Fachbegriffe kennenzulernen. Von daher einigten wir uns darauf, die fachsprachliche Spalte trotz der Zweifel beizubehalten, zumal diejenigen, die sich durch diese Spalte gestört und überfordert fühlen, sie auch zudecken können, ohne dass die Lesbarkeit des Schaubildes eingeschränkt wird.
Das Handbuch Barrierefreie Kommunikation wurde am 18. Oktober 2018 auf einer Fachtagung zum gleichnamigen Thema an der Uni Hildesheim offiziell vorgestellt. Meine Schaubilder waren dort als Poster ausgestellt.