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Wie Rechtsvisualisierung das Recht verständlicher macht

Flugzeug_578505808 © shutterstock.com

Der Bedarf an verständlichen Rechtsinformationen ist groß. Das gilt vor allem für Publikationen, Vorträge, Seminare und Beratungsangebote, die sich an juristische Laien richten. Jurist*innen sind hier in besonderem Maße gefordert, ihr Fachwissen nicht nur zielgruppengerecht aufzubereiten und in klare Worte zu fassen, sondern auch Strukturen und Zusammenhänge anschaulich zu vermitteln. Neben gut strukturierten Ausführungen hilft dabei allem die Visualisierung der Inhalte.

Wer Rechtsinformationen für juristische Laien aufbereiten möchte, muss drei Aufgaben meistern:

  • Er/Sie muss die Inhalte didaktisch reduzieren, also aus der Fülle an Informationen zu einem Thema diejenigen auswählen, die in der konkreten Informationssituation für die jeweilige Zielgruppe relevant bzw. besonders wichtig sind. Dabei sind auch die Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, also z. B. eventuelle Vorgaben zum Format und Umfang einer Publikation oder die zur Verfügung stehende Zeit bei einem Vortrag oder Seminar.
  • Er/Sie muss die Inhalte in klare Worte fassen, also verständliche Sätze formulieren und Fachbegriffe erläutern.
  • Und er/sie muss die Inhalte strukturiert darbieten. Die schriftlichen oder mündlichen Ausführungen müssen also eine innere Ordnung aufweisen, wobei man Texten diese Ordnung auch äußerlich ansehen sollte.
Grafik mit drei nebeneinander angeordneten Bildern: Trichter mit dem Textbox Inhalt didaktisch reduzieren, Textdokument mit Glühbirne und Textbox Inhalte in klare Worte fassen und Textdokument mit Liste und Textbox Inhalte strukturiert darbieten
Wie die verständliche Vermittlung von Rechtsinformationen gelingt

Die Grenzen gut strukturierter Texte und Vorträge

Jurist*innen vermitteln Rechtsinformationen in aller Regel in Textform oder mündlich in Vorträgen und Seminaren, sie nutzen also für die strukturierte Darbietung der Inhalte ausschließlich die Sprache. Selbst Präsentationsfolien enthalten meist ausschließlich Text. Seine Berechtigung hat das insofern, als das Recht nun mal eine Wissenschaft der Sprache ist und in der Informationsvermittlung allein mit gut strukturierten Ausführungen und klaren Worten bereits viel erreicht werden kann. Texte lassen sich zudem durch eine übersichtliche Gliederung, treffende Überschriften und Zwischenüberschriften, eine durchdachte Absatzbildung, Marginalien, Merkkästen etc. anreichern und lesefreundlich aufbereiten.

Wie Sie einen guten strukturierten Informationstext schreiben, lesen Sie im Beitrag 10 Tipps für besser strukturierte juristische Informationstexte.

Die Sprache hat allerdings den Haken, dass sie linear aufgebaut ist: ein Satz folgt dem nächsten. Möchte man nicht lineare Strukturen und Zusammenhänge vermitteln, was im Recht häufig vorkommt, kann man diese in einem Text folglich nicht kenntlich machen, sondern nur beschreiben, indem man erklärende Sätze aneinanderreiht. Das kann zwar gelingen, einfacher wäre es allerdings, den Leser*innen die Struktur zu zeigen. Bei mündlichen Ausführungen gilt das erst recht, denn hier fällt die optische Unterstützung der Ausführungen durch Formatierung und Layout weg.

Rechtliche Strukturen sichtbar machen

Um sowohl nicht lineare als auch lineare Strukturen und Zusammenhänge im Recht sichtbar zu machen, gibt es die Rechtsvisualisierung. Sie entlastet Jurist*innen von der schwierigen Aufgabe, komplexen rechtlichen Zusammenhängen ausschließlich mit Sprache gerecht werden zu müssen, und die Adressat*innen sehen, was gemeint ist, und verstehen so besser und schneller, was man ihnen sagt.

Grafik mit zwei Dokumenten. Auf dem ersten ist eine Liste mit drei Punkten zu sehen, auf dem zweiten sind die drei Punkte kreisförmiges mit Pfeilen verbunden; ein Pfeil weist von dem ersten Dokument zum zweiten
Strukturen des Inhalts sichtbar machen

Mit einem Beispiel aus dem Arbeitsrecht möchte ich das Gesagte konkretisieren:

Nehmen wir an, Sie sollen einen Informationstext zur Leiharbeit schreiben: Wie funktioniert sie? Und was ist wesentlich? Bekanntlich gibt es bei der Leiharbeit drei Beteiligte und zwei Verträge. Der Verleiher schließt einen Arbeitsvertrag mit dem Leiharbeitnehmer und zwischen Verleiher und Entleiher wird ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag geschlossen. Es liegt deshalb nahe, den Informationstext zum Thema entweder nach Beteiligten oder nach Verträgen aufzubauen:

Graifk der Textstruktur eines Textes über Leiharbeit: links der Aufbau nach Verträgen und rechts der Aufbau nach Beteiligten

Dabei würden Sie beim Aufbau nach Verträgen natürlich auch erwähnen, wer jeweils an diesen beteiligt ist, und beim Aufbau nach Beteiligten würden Sie auch darauf eingehen, welche Verträge diese schließen. Sie müssten sich für eine Aufbauvariante entscheiden und könnten dann alle wichtigen Informationen zu den einzelnen Punkten nacheinander ausführen.

Nun deuten die drei Beteiligten und zwei Verträge allerdings darauf hin, dass wir es bei der Leiharbeit mit einer nicht linearen Struktur zu tun haben. Diese können die Leser*innen leichter verstehen, wenn man sie ihnen zeigt. Aussehen kann das z. B. so:

Strukturbild, das die Frage beantwortet, wie Leiharbeit funktioniert. Zu sehen sind die drei Beteiligten, nämlich Verleiher, Entleiher und Leiharbeitnehmer sowie die Verträge, die zwischen ihnen geschlossen werden. Zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer ist dies ein Arbeitsvertrag und zwischen Verleiher und Entleiher ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. Vom Leiharbeitnehmer zeigt ein gestrichelter Pfeil zum Entleiher, an dem Folgendes steht: arbeitet für einen begrenzten Zeitraum beim Entleiher und ist in dessen Betrieb eingegliedert. Beim Entleiher ist zu lesen: bestimmt Ort, Zeit und Inhalt der Arbeit, darf Leiharbeitnehmern Weisungen erteilen und ist neben dem Verleiher u. a. für die Arbeitssicherheit der Leiharbeitnehmer verantwortlich, Beim Verleiher steht, dass er eine Erlaubnis für die Arbeitnehmerüberlassung benötigt.

Hier haben Sie die drei Beteiligten und die beiden Verträge in einer Übersicht vereint. Dabei ist auf einen Blick sichtbar, zwischen welchen Beteiligten die beiden Verträge geschlossen werden. Es wird sogar deutlich, welche Leistungen ausgetauscht werden. In Textform sind außerdem wichtige Informationen zur ersten Orientierung ergänzt.

Über die textliche Aufbereitung der Inhalte können Sie natürlich deutlich mehr Informationen vermitteln. Die Visualisierung erleichtert den Betrachter*innen jedoch, die Grundstruktur der Leiharbeit zu verstehen und sich im Thema zu orientieren. Dieses Grundverständnis führt wiederum dazu, dass sie Detailinformationen besser einordnen können.

Die Übersicht zur Leiharbeit ist ein juristisches Schau- bzw. Strukturbild. Visualisiert wurde ein sog. Rechtsmodell.

Was juristische Strukturbilder können

Strukturbilder sind nicht die einzige Möglichkeit der Rechtsvisualisierung, aber eine sehr wichtige, weil im Recht die Verknüpfung von Informationen, die Strukturen und logischen Zusammenhänge eine große Rolle spielen und Strukturbilder diese sichtbar machen können. Doch das ist nicht ihre einzige Stärke. Sie bieten außerdem Informationen im Überblick, helfen bei der Orientierung im Thema und konzentrieren sich auf Wesentliches. Details haben in einem Strukturbild nichts zu suchen bzw. sollten mit Bedacht ausgewählt werden, denn zu viele Details führen leicht dazu, dass das Strukturbild überladen wirkt. Das wiederum führt dann dazu, dass es seiner Aufgabe nicht mehr gerecht wird, Überblick und Orientierung zu bieten. Stattdessen überfordert und verwirrt es seine Betrachter*innen.

Vorteile juristischer Strukturbilder

Die Stärken juristischer Strukturbilder sind zugleich ihre Vorteile, denn sichtbare Strukturen und Zusammenhänge, Überblick und Konzentration auf Wesentliches tragen zum Verständnis der Inhalte bei und erleichtern den Adressat*innen die Orientierung im Thema. Zudem kann man die Strukturen relativ schnell aufnehmen und merkt sie sich besser. In den üblichen juristischen Textwüsten sind Strukturbilder schließlich Blickfänger, die dazu einladen, sich nicht nur mit ihnen, sondern auch mit dem beigefügten Text zu befassen.

Warum es nicht ohne Text geht

So nützlich juristische Strukturbilder sind: Sie können und sollen weder Texte noch mündliche Vorträge ersetzen. Auch kommen sie selbst nicht ohne Text aus. Zum einen ist das Recht so abstrakt und komplex, dass man ihm nur mit Sprache in vollem Umfang gerecht werden kann, zum anderen vermitteln Strukturbilder immer nur Grundstrukturen eines Inhalts. Um den Inhalt im Ganzen zu durchdringen, werden auch Details, Erklärungen, Hintergründe, Argumente und Beispiele benötigt. Zudem ist es wichtig, nicht nur die Regeln zu kennen, sondern man sollte auch wissen, dass es Ausnahmen gibt. All das zu vermitteln ist weder Aufgabe von Strukturbildern noch bieten sie den dafür nötigen Raum. Dies ist die Aufgabe und Stärke von Texten.

Text und Strukturbild kombinieren

Gerade weil Text und Strukturbild als Medien ihre Stärken haben, ist es für die Vermittlung von Rechtsinformationen ideal, sie zu kombinieren, also Texte und mündliche Vorträge durch Strukturbilder zu ergänzen. Natürlich kommt es dabei zu inhaltlichen Überschneidungen, gerade das ist aber für die Adressat*innen von Vorteil. Das Strukturbild hilft ihnen nämlich, die im Text oder Vortrag erklärten Strukturen zu verstehen, und die Ausführungen erklären das Strukturbild und ergänzen es durch weitere Informationen.

Auch Sie als Informationsvermittler*in profitieren von der verbalen und visuellen Aufbereitung Ihres Themas. Sie betrachten dieses nämlich aus zwei unterschiedlichen Perspektiven. Die verbale Perspektive kennen Sie. Sie zwingt Sie dazu, nach treffenden Formulierungen zu suchen und ermöglicht Ihnen, in Ihr Thema einzutauchen und ihm im wahrsten Sinne des Wortes auf den Grund zu gehen – wie ein Taucher, der sich und anderen eine Unterwasserwelt bis ins letzte Detail erschließt. Die visuelle Perspektive richtet Ihren Blick dagegen auf die Strukturen und Zusammenhänge, was Sie dazu zwingt, Ihr Thema aus der Distanz und Vogelperspektive zu betrachten: Die Strukturen des Wassers und seine Umgebung sehen Sie nur, wenn Sie das Wasser verlassen.

Beide Perspektiven zusammen sind für die Informationsvermittlung optimal, weil Sie zum einen dem Thema in seiner Tiefe gerecht werden, zum anderen aber auch darauf achten, Ihre Adressat*innen mitzunehmen und ihnen stets die nötige Orientierung zu bieten.

Welche Inhalte sich in Schau- bzw. Strukturbilder verwandeln lassen und welche Schaubildtypen sich für welche Inhalte eignen, lesen Sie im Beitrag Visualisierbare rechtliche Inhalte und Schaubildtypen.


Nicola Pridik

Nicola Pridik
Ich bin Juristin und Inhaberin des Büros für klare Rechtskommunikation in Berlin. Mit meinen Dienstleistungen unterstütze ich Sie dabei, Rechtsinformationen verständlich und anschaulich für Ihre Zielgruppe(n) aufzubereiten. Dabei steht die Visualisierung von Recht im Mittelpunkt. kontakt@npridik.de


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